Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. 173
gegen ihn haben, nur nicht ihn hierher einladen, wie Sie wollen,
weil man sich etwas dadurch vergiebt, den guten Sinn, wo er
noch vorhanden, irre macht, Mistrauen erregt und seine Ehre ver-
liert. Darum billige ich vieles in Ihrem Memoire)); die histo—
rische Einleitung, Fol. 1—5, ist höchst belehrend und von dem
andern das Meiste sehr anwendbar; aber verzeihen Sie, es fehlt
hier Kopf und Schwanz, Princip und Ziel der Politik.
1. Können Sie leugnen, daß Napoleon III. wie Napoleon I.
den Consequenzen seiner Stellung eines auf Volkssouveränität ge-
gründeten Absolutismus (I'élu de 7 millions) unterliegt, was er
so gut als der alte fühlt 2
2. Frankreich, Rußland, Preußen eine triple alliance, in die
Preußen nur eintritt, „ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem
Bunde der Dritte“, und der schwächste bleibt, der Oestreich und
England abwehrend und mistrauisch gegenübersteht, bewirkt un-
mittelbar den Sieg der „französischen Interessent, d. h. die
Herrschaft in Italien zunächst und dann in Deutschland. 1801 bis
1804 vertheilten Rußland und Frankreich Deutschland und gaben
Preußen ein Weniges ab.
3. Worin unterscheidet sich die von Ihnen empfohlene Politik
von der von Haugwitz von 1794—18052 Da war auch nur von
einem „Defensiv-System“ die Rede. Thugut, Cobenzl, Lehr-
bach waren um nichts besser als Buol und Bach, Perfidien fielen
Seitens Oestreichs auch vor, Rußland war noch unzuverlässiger
als jetzt, dafür aber freilich England zuverlässiger. Der König
war auch in seinem Herzen dieser Politik abgeneigt.
Bei meiner Differenz mit Ihnen kommt mir oft der Gedanke,
daß ich mit meinen Ansichten veraltet bin, und daß, wenn ich
auch meine Politik nicht unrichtig finden kann, es doch viel-
leicht nöthig ist, es mit einer andern zu versuchen, die zunächst
durchgemacht und überwunden werden muß. 1792 war Massenbach
1) An Manteuffel vom 18. Mai, s. Preußen im Bundestage IV 262 ff.
264 ff., einen Nachtrag dazu s. ebendort S. 272 ff.