Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

2 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage. 
welche die Pflege des nationalen Gefühls als ihren Zweck bezeichnete. 
Aber bei persönlicher Bekanntschaft mit ihren Mitgliedern mißfielen 
mir ihre Weigerung, Satisfaction zu geben, und ihr Mangel an 
außerlicher Erziehung und an Formen der guten Gesellschaft, bei 
näherer Bekanntschaft auch die Extravaganz ihrer politischen Auf- 
fassungen, die auf einem Mangel an Bildung und an Kenntniß der 
vorhandenen, historisch gewordenen Lebensverhältnisse beruhte, von 
denen ich bei meinen siebzehn Jahren mehr zu beobachten Gelegenheit 
gehabt hatte als die meisten jener durchschnittlich ältern Studenten. 
Ich hatte den Eindruck einer Verbindung von Utopie und Mangel 
an Erziehung. Gleichwohl bewahrte ich innerlich meine nationalen 
Empfindungen und den Glauben, daß die Entwicklung der nächsten 
Zukunft uns zur deutschen Einheit führen werde; ich ging mit 
meinem amerikanischen Freunde Coffin die Wette darauf ein, daß 
dieses Ziel in zwanzig Jahren erreicht sein werde. 
In mein erstes Semester fiel die Hambacher Feicr (27. Mai 1832), 
deren Festgesang mir in der Erinnerung geblieben ist, in mein drittes 
der Frankfurter Putsch (3. April 1833). Diese Erscheinungen stießen 
mich ab, meiner preußischen Schulung widerstrebten tumultuarische 
Eingriffe in die staatliche Ordnung; ich kam nach Berlin mit weniger 
liberaler Gesinnung zurück, als ich es verlassen hatte, eine Reaction, 
die sich wieder abschwächte, nachdem ich mit dem staatlichen Räder- 
werke in unmittelbare Beziehung getreten war. Was ich etwa über 
auswärtige Politik dachte, mit der das Publikum sich damals wenig 
beschäftigte, war im Sinne der Freiheitskriege, vom preußischen 
Offizierstandpunkt gesehn. Beim Blick auf die Landkarte ärgerte 
mich der französische Besitz von Straßburg, und der Besuch von 
Heidelberg, Speier und der Pfalz stimmte mich rachsüchtig und 
kriegslustig. In der Zeit vor 1848 war für einen Kammergerichts- 
Auscultator und Regirungs-Referendar, dem jede Beziehung zu mini- 
steriellen und höhern amtlichen Kreisen fehlte, kaum eine Aussicht zu 
einer Betheiligung an der preußischen Politik vorhanden, so lange er 
nicht den einförmigen Weg zurückgelegt hatte, der durch die Stufen
	        
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