184 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
brechen zu helfen, war eine ausgezeichnete Dummheit; schnell, nach-
drücklich und bis zum letzten Hauch hätten wir gegen Napoleon
eingreisen sollen. Stillzusitzen war noch unverständiger, als für
Frankreich Partei zu nehmen; nachdem wir aber diese Gelegenheit
hatten vorbeigehn lassen, so mußten wir auch 1806 à tout prix
Friede halten und eine bessere abwarten.
Ich bin garnicht für „Defensiv-Politikt, ich sage nur, daß
wir ohne aggressive Absichten und Verpflichtungen uns auf die
Annäherungsversuche Frankreichs einlassen können, daß dieses Ver-
halten grade den Vortheil bietet, uns jede Thür offen, jede Wen-
dung frei zu erhalten, bis die Lage der Dinge fester und durch-
sichtiger wird, daß ich die empfohlene Richtung nicht als conspirirend
gegen Andre, sondern nur als vorsorglich für unsre Nothwehr
auffasse.
Sie sagen, FFrankreich wird auch nicht mehr für uns thun
als Oestreich und die Mittelstaaten"; ich glaube, daß niemand
etwas für uns thut, der nicht zugleich sein Interesse dabei findet.
Die Richtung aber, in welcher Oestreich und die Mittelstaaten gegen-
wärtig ihre Interessen verfolgen, ist mit den Aufgaben, welche
für Preußen Lebensfragen sind, ganz incompatibel, und eine
Gemeinschaftlichkeit der Politik garnicht möglich, bevor Oestreich
nicht ein bescheidneres System uns gegenüber adoptirt, wozu bisher
wenig Aussicht. Sie stimmen mit mir darin überein, daß wir „den
kleinen Staaten die Ueberlegenheit Preußens zeigen müssen“; aber
welche Mittel haben wir dazu innerhalb der Bundesacte? Eine
Stimme unter siebzehn und Oestreich gegen uns, damit ist nicht
viel auszurichten.
Der Besuch L. Napoleons bei uns würde aus den anderweit
von mir vorgetragnen Gründen unsrer Stimme an und für sich
schon ein durchschlagenderes Gewicht geben. Sie werden rücksicht-
voll und selbst anhänglich für uns sein im genauen Verhältniß
ihrer Furcht vor uns; Vertrauen werden sie nie zu uns haben;
jeder Blick auf die Karte benimmt es ihnen, und sie wissen, daß ihre