Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. 185
Interessen und Sondergelüste der Gesammtrichtung der preußischen
Politik im Wege stehn, daß darin eine Gefahr für sie liegt, gegen
welche nur die Uneigennützigkeit unsres allergnädigsten Herrn eine
Sicherheit für die Gegenwart bietet. Der Besuch des Franzosen
bei uns würde kein Mißtrauen weiter hervorrufen, dasselbe ist
im Großen und Ganzen gegen Preußen schon vorhanden, und
die Gesinnungen des Königs, welche es entkräften könnten, werden
Sr. Majestät nicht gedankt, sondern nur benutzt und ausgebeutet.
Das etwa vorhandene „Vertrauen“ wird im Fall der Noth nicht
Einen Mann für uns in's Feld bringen, die Furcht, wenn wir sie
einzuflößen wissen, stellt den ganzen Bund zu unfrer Disposition.
Diese Furcht würde durch ostensible Zeichen unsrer guten Be-
ziehungen zu Frankreich eingeflößt werden. Geschieht nichts der
c2rt,, so dürste es schwer sein, diejenigen wohlwollenden Beziehungen
mit Frankreich lange durchzuführen, welche auch Sie für wünschens-
werth ansehn. Denn man wirbt von dort um uns, man hat das
Bedürfniß, sich ein Relief mit uns zu geben, man hofft auf eine
Zusammenkunft, und ein Korb von uns müßte eine auch für andre
Höfe erkennbare Abkühlung bewirken, weil sich der „parvenu“ an
der empfindlichsten Seite davon betroffen fühlen würde.
Schlagen Sie mir eine andre Politik vor, und ich will sie
ehrlich und vorurtheilsfrei mit Ihnen discutiren; aber eine passive
Planlosigkeit, die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen wird, können
wir in der Mitte von Europa nicht durchführen; sie kann uns heut
ebenso gefährlich werden, wie sie 1805 war, und wir werden
Ambos, wenn wir nichts thun, um Hammer zu werden. Den Trost
des „victa causa Catoni placuit“ kann ich Ihnen nicht zugestehn,
wenn Sie dabei Gefahr laufen, unser gemeinsames Vaterland in
eine victa causa hineinzuziehn.
Wenn meine Auffassung keine Gnade vor Ihnen findet, so
brechen Sie wenigstens nicht den Stab über meinen ganzen Men-
schen, sondern erinnern Sie sich, daß wir Jahre lang in schweren
Zeiten nicht nur denselben Boden hatten, sondern auch dieselben