Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

186 Achtes Kapitel: Besuch in Paris. 
Pflanzen darauf zogen, und daß ich ein Mann bin, der mit sich 
reden läßt und Unrecht abthut, wenn ihm die Erkenntniß davon 
wird. v. B.“1) 
Gerlach erwiderte: 
„Sanssouci, den 5. Junius 1857. 
.. Zunächst will ich gern die practische Seite Ihrer Ansicht 
anerkennen. Nesselrode sagte hier mit Recht, ebenso wie Sie, daß, 
so lange Buol regiere (Sie nennen richtig Bach zugleich mit), es 
nicht möglich wäre, sich mit Oestreich zu stellen. Oestreich hätte 
mit lauter Freundschafts-Versicherungen Europa gegen sie (D. i. 
die Russen) gehetzt, ihnen das Stück Bessarabien entrissen und thäte 
ihnen noch jetzt das gebrannte Herzeleid an. Aehnlich benimmt 
es sich mit uns und hat sich während des orientalischen Krieges 
scheuslich perfide benommen. Wenn Sie also sagen, man kann 
nicht mit Oestreich gehen, so hat das eine relative Wahrheit, 
und würden wir in casu concreto schwerlich uns hierüber ver- 
uneinigen. Vergessen Sie aber nicht, daß die Sünde stets wieder 
die Sünde gebiert, und daß Oestreich uns auch ein Sündenregister 
schlimmer Art vorhalten kann, z. B. die Abwehr des Einmarsches 
1849 in den Badischen Seekreis, was den eigentlichen Verlust von 
Neuenburg, das damals durch den Prinzen von Preußen zu er- 
obern war, bewirkt hat, dann die Radowitzische Politik, dann die 
hochmüthige Behandlung des Interim, bei dem selbst Schwarzen= 
berg guten Willen hatte, und endlich eine Menge unbedeutenderer 
Einzelnheiten: alles Repetitionen der Politik von 1793—1805. 
Die Anschauung aber, daß unser schlechtes Verhältniß zu Oestreich 
nur ein relatives sein darf, wird bei jeder Gelegenheit practisch, 
indem sie einmal die Nache von unfrer Seite, weil sie nur zu 
Unglück führen kann, verhindert und dann den Willen zur Ver- 
söhnung und Annäherung festhält und daher das, was eine solche 
Annäherung unmöglich macht, vermeidet. Beides fehlt bei uns, und 
warum? weil unsre Staatsmänner donnent dans le Bonapartisme. 
1) Bismarcks Briefe an den General L. v. Gerlach S. 326 ff.
	        
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