Jünglingsanschauungen. Die preußische Diplomatie. 3
der bürokratischen Laufbahn nach Jahrzehnten dahin führen konnte,
an den höhern Stellen bemerkt und herangezogen zu werden. Als
mustergültige Vordermänner auf diesem Wege wurden mir im
Familienkreise damals Männer wie Pommer-Esche und Delbrück vor-
gehalten, und als einzuschlagende Richtung die Arbeit an und in dem
Zollvereine empfohlen. Ich hatte, so lange ich in dem damaligen
Alter an eine Beamtenlaufbahn ernstlich dachte, die diplomatische im
Auge, auch nachdem ich von Seiten des Ministers Ancillon bei meiner
Meldung dazu wenig Ermuthigung gefunden hatte. Derselbe be-
zeichnete nicht mir, aber hohen Kreisen gegenüber als Musterbild
dessen, was unsrer Diplomatie fehle, den Fürsten Felix Lichnowski,
obschon man hätte vermuthen sollen, daß diese Persönlichkeit, wie
sie sich damals in Berlin zur Anschauung brachte, der anerkennenden
Würdigung eines der evangelischen Geistlichkeit entstammenden
Ministers nicht grade nahe stände.
Der Minister hatte den Eindruck, daß die Kategorie unfres
hausbacknen preußischen Landadels für unfre Diplomatie den ihm
wünschenswerthen Ersatz nicht lieferte und die Mängel, welche er
an der Gewandheit des Personalbestandes dieses Dienstzweiges
fand, zu decken nicht geeignet war. Dieser Eindruck war nicht ganz
ohne Berechtigung. Ich habe als Minister stets ein landsmann-
schaftliches Wohlwollen für eingeborne preußische Diplomaten ge-
habt, aber im dienstlichen Pflichtgefühle nur selten diese Vorliebe
bethätigen können, in der Regel nur dann, wenn die Betheiligten
aus einer militärischen Stellung in die diplomatische übergingen.
Bei den rein preußischen Civil-Diplomaten, welche der Wirkung
militärischer Disciplin garnicht oder unzureichend unterlegen hatten,
habe ich in der Regel eine zu starke Neigung zur Kritik, zum Besser-
wissen, zur Opposition und zu persönlichen Empfindlichkeiten ge-
sunden, verstärkt durch die Unzufriedenheit, welche das Gleichheits-
gefühl des alten preußischen Edelmanns empfindet, wenn ein Standes-
genosse ihm über den Kopf wächst oder außerhalb der militärischen
Verhältnisse sein Vorgesetzter wird. In der Armee sind diese Kreise