Unterredung mit Napoleon III. über französische Zukunstspläne. 193
sein, — „un dépôt que l'Europe coalisée un jour viendrait
reprendre“; eine solche an Napoleon I. erinnernde Prätension sei
für die gegenwärtigen Verhältnisse zu hoch; man würde sagen,
Frankreichs Hand sei gegen Jedermann, und deshalb würde Jeder-
manns Hand gegen Frankreich sein. Vielleicht werde er unter
Umständen zur Befriedigung des Nationalstolzes „une petite recti-
fication des frontières“ verlangen, könne aber ohne solche leben.
Wenn er wieder eines Krieges bedürfen sollte, würde er denselben
eher in der Richtung nach Italien suchen. Einerseits habe dieses
Land doch immer eine große Affinität mit Frankreich, andrerseits
sei das letztre an Landmacht und an Siegen zu Lande reich genug.
Eine viel pikantere Befriedigung würden die Franzosen in einer
Ausdehnung ihrer Seemacht finden. Er denke nicht daran, das
Mittelmeer grade zu einem französischen See zu machen, „mais
à peu pres“. Der Franzose sei kein Seemann von Natur, sondern
ein guter Landsoldat, und eben deshalb seien Erfolge zur See ihm
viel schmeichelhafter. Dies allein sei das Motiv, welches ihn hätte
veranlassen können, zur Zerstörung der russischen Flotte im Schwarzen
Meere zu helfen, da Rußland, wenn dereinst im Besitz eines so
vortrefflichen Materials, wie die griechischen Matrosen, ein zu ge-
fährlicher Rival im Mittelmeer werden würde. Ich hatte den Ein-
druck, daß der Kaiser in diesem Punkte nicht ganz aufrichtig war,
daß ihm die Zerstörung der russischen Flotte eher leid that, und
daß er sich nachträglich eine Rechtfertigung für das Ergebniß des
Krieges zurecht machte, in den England unter seiner Mitwirkung
nach dem Ausdruck seines Auswärtigen Ministers wie ein steuer-
loses Schiff hineingetrieben war — we are drifting into war.
Als Ergebniß eines nächsten Krieges denke er sich ein Ver-
hältniß der Intimität und Abhängigkeit Italiens zu Frankreich,
vielleicht die Erwerbung einiger Küstenpunkte. Zu diesem Pro-
gramm gehöre, daß Preußen ihm nicht entgegen sei. Frankreic)
und Preußen seien aufeinander angewiesen; er halte es für einen
Fehler, daß Preußen 1806 nicht wie andre deutsche Mächte zu
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 13