Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

198 Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft. 
und die Möglichkeit weitrer Einmischung meinerseits. Er fragte 
mich, weshalb ich nicht auf meinen Posten ginge, wo ich in der 
gegenwärtigen Situation sehr nöthig sein würde. Ich erwiderte: 
„Ich bin hier viel nöthiger“ 1). 
Durch Allerhöchsten Erlaß vom 23. October wurde der Prinz 
von Preußen zunächst auf drei Monate mit der Stellvertretung 
des Königs beauftragt, die dann noch dreimal auf je drei Monate 
verlängert wurde und ohne nochmalige Verlängerung im October 
1858 abgelaufen wäre. Im Sommer 1858 war ein ernster Versuch 
im Werke, die Königin zu veranlassen, die Unterschrift des Königs 
zu einem Briefe an seinen Bruder zu beschaffen, in dem zu sagen 
sei, daß er sich wieder wohl genug fühle, um die Regirung zu 
übernehmen, und dem Prinzen für die geführte Stellvertretung 
danke. Die letztre war durch einen Brief des Königs eingeleitet 
worden, konnte also, so argumentirte man, durch einen solchen 
wieder aufgehoben werden. Die Regirung würde dann, unter 
Controlle der königlichen Unterschrift durch Ihre Majestät die 
Königin, von den dazu berufenen oder sich darbietenden Herren 
vom Hofe geführt werden. Zu diesem Plan wurde mündlich auch 
meine Mitwirkung in Anspruch genommen, die ich in der Form 
ablehnte, das würde eine Haremsregirung werden. Ich wurde 
von Frankfurt nach Baden-Baden gerufen und setzte dort?) den 
Prinzen von dem Plane in Kenntniß, ohne die Urheber zu nennen. 
„Dann nehme ich meinen Abschied!“ rief der Prinz. Ich stellte 
ihm vor, daß das Ausscheiden aus seinen militärischen Aemtern 
nichts helfen, sondern die Sache schlimmer machen würde. Der 
Plan sei nur ausführbar, wenn das Staatsministerium dazu stille 
hielte. Ich rieth daher, den Minister Manteuffel, der auf seinem 
Gute den Erfolg des ihm bekannten Plans abwartete, telegraphisch 
zu citiren und durch geeignete Weisungen den Faden der Intrigue 
1) Vgl. Bismarck's Brief an Gerlach vom 19. Dec. 1857, Ausg. von 
H. Kohl S. 337 ff. und Gerlachs Antwort, Bismarck-Jahrbuch II 250 ff. 
2:) Am 15. Juli 1858.
	        
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