212 Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft.
Schwerin, beeinflußt von dem nachmaligen Oberbürgermeister Winter
in Danzig und andern liberalen Beamten. Er trieb die ministerielle
Unabhängigkeit gegen den Regenten so weit, daß er schriftliche Be-
fehle schriftlich damit erledigend beantwortete, dieselben seien nicht
contrasignirt. Als das Ministerium den Regenten einmal zu einer
ihm widerwärtigen Unterschrift genöthigt hatte, leistete er dieselbe
in unlesbarer Gestalt und zerstampfte die Feder darauf. Graf
Schwerin ließ eine zweite Reinschrift machen und bestand auf einer
leserlichen Unterschrift. Der Regent unterschrieb nun wie gewöhnlich,
knüllte aber das Blatt zusammen und warf es in die Ecke, aus
der es hervorgeholt und, nachdem es geglättet, zu den Acten ge-
nommen wurde. Auch an meinem Abschiedsgesuche von 1877 war
zu sehn, daß der Kaiser es zum Knäul geballt hatte, bevor er
darauf antwortete.
V.
Ich wurde am 29. Januar 1859 zum Gesandten in Peters-
burg ernannt, verließ Frankfurt aber erst am 6. März und ver-
weilte bis zum 23. desselben Monats in Berlin. Während dieser
Zeit hatte ich Gelegenheit, von der Verwendung der östreichischen
geheimen Fonds, der ich bis dahin nur in der Presse begegnet
war, einen praktischen Eindruck zu gewinnen. Der Bankier Levin-
stein, welcher seit Jahrzehnten bei meinen Vorgesetzten und in deren
vertraulichen Aufträgen in Wien und Paris mit den Leitern der
auswärtigen Politik und mit dem Kaiser Napoleon in Person
verkehrt hatte, richtete am Morgen des Tages, auf den meine
Abreise festgesetzt war, das nachstehende Schreiben an mich:
„Ew. Excellenz erlaube ich mir noch hiemit ganz ergebenst
gutes Glück zu Ihrer Reise und Ihrer Mission zu wünschen, hoffend,
daß wir Sie bald wieder hier begrüßen werden, da Sie im Vater-
lande wohl nützlicher zu wirken vermögen, als in der Ferne.