Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

230 Zehntes Kapitel: Petersburg. 
wird aus meinem Briefe an den Minister von Manteuffel vom 
11. Januar 1858 anschaulich: 
„Ich habe schon telegraphisch die dringende Bitte ausgesprochen, 
meinen vertraulichen Bericht, betreffend die Beschwerde Lord Bloom- 
field's in der Bentinck' schen Sache, nicht durch die Post an den 
Grafen Flemming in Karlsruhe zu schicken und so zu Oestreichs 
Kenntniß zu bringen. Sollte meine Bitte zu spät eingetroffen sein, 
so werde ich nach mehren Richtungen hin in unangenehme Ver- 
legenheiten gerathen, welche kaum anders als in einem persönlichen 
Conflict zwischen dem Grafen Rechberg und mir ihre Lösung finden 
könnten. — Wie ich ihn beurtheile und wie es die östreichische 
Auffassung des Briefgeheimnisses überhaupt mit sich bringt, wird 
er sich durch den Umstand, daß diese Beweise einem geöffneten 
Briefe entnommen sind, von der Production derselben nicht abhalten 
lassen. Ich traue ihm vielmehr zu, daß er sich ausdrücklich darauf 
beruft, die Depesche könne nur in der Absicht auf die Post gegeben 
sein, damit sie zur Kenntniß der kaiserlichen Regirung gelange."“ 
Als ich 1852 die Gesandschaft in Wien zu leiten hatte, stieß 
ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Gesandte eine Mittheilung 
zu machen hatte, die Instruction, durch die er von Berlin aus 
dazu beauftragt war, dem östreichischen Minister des Auswärtigen 
im Original einzureichen. Diese für den Dienst ohne Zweifel nach- 
theilige Gewohnheit, bei der eigentlich die vermittelnde Amtsthätig- 
keit des Gesandten als überflüssig erschien, war dergestalt tief ein- 
gerissen, daß der damalige, seit Jahrzehnten in Wien einheimische 
Kanzleivorstand der Gesandschaft aus Anlaß des von mir er- 
gangenen Verbots mich aufsuchte, um mir vorzustellen, wie groß 
das Mißtrauen der kaiserlichen Staatskanzlei sein werde, wenn wir 
plötzlich in der langjährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten 
ließen; man würde namentlich mir gegenüber zweifelhaft werden, 
ob meine Einwirkung auf den Grafen Buol wirklich dem Text 
meiner Instructionen und also den Intentionen der Berliner Politik 
entspräche.
	        
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