Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

232 Zehntes Kapitel: Petersburg. 
Ich beglückwünschte den alten Soldaten, daß er nach 46 Jahren 
noch so rüstig sei, und erhielt die Antwort, er würde noch jetzt, 
wenn der Kaiser es erlaubte, den Krieg mitmachen. Ich fragte, 
mit wem er dann gehn würde, mit Italien oder mit Oestreich, 
worauf er stramm stehend mit Enthusiasmus erklärte: „Immer 
gegen Oestreich.“ Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß Oest- 
reich doch bei Kulm unser und Rußlands Freund und Italien 
unser Gegner gewesen sei, worauf er, immer in militärisch strammer 
Haltung und mit der lauten und weit hörbaren Stimme, die der 
russische Soldat im Gespräch mit Offizieren hat, antwortete: „Ein 
ehrlicher Feind ist besser als ein falscher Freund.“ Diese unver- 
frorene Antwort begeisterte den Fürsten Dolgoruki dergestalt, daß 
im nächsten Moment General und Unteroffizier in der Umarmung 
lagen und die herzlichsten Küsse auf beide Wangen austauschten. 
So war damals bei General und Unteroffizier die russische Stim- 
mung gegen Oestreich. 
Eine Erinnerung an den Ausflug nach Moskau ist der nach- 
stehende Briefwechsel mit dem Fürsten Obolenstki. 
Moscou, le „2“ Juin 1859. 
En visitant dernièrement les antiquités de Moscou, Votre 
Excellence a porté une grande attention aux monuments de 
notre ancienne vie politique et morale. Les vieils édifices du 
Kremlin, les objets de la vie domestique des Tzars, les précieux 
manuscrits grecs de la bibliothèéque des Patriarches de Russie, 
— tout enfin a excité Sa curiosité éclairée. Les remarques 
scientifiques de V. E. au sujet de ces monuments ont prouvé 
du'outre Ses grandes connaissances diplomatiques, Elle en 
réunissent d'aussi profondes en archéologie. Une pareille at- 
tention de la part d’'un étranger pour nos antiquités miest 
doublement chère, comme à un Russe et comme à un homme 
qui consacre ses loisirs aux recherches archéologiques. Per- 
mettez-moi d’offrir à V. E. en souvenir de Son court séjour
	        
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