240 Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
II.
Der Fürst von Hohenzollern, der sich überzeugte, daß die Prin-
zessin und Schleinitz durch sie stärker waren als er, zog sich bald
nachher von den Geschäften thatsächlich zurück, wenn er auch dem
Namen nach bis zum September 1862 Ministerpräsident blieb. Die
Leitung ging damit auch äußerlich auf Auerswald über, mit dem
ich während der Zeit, die ich noch in Berlin zubrachte, in freund-
lichem Verkehr blieb. Er war von besonders liebenswürdigen Formen
und hervorragender politischer Begabung; und nachdem ich zwei
Jahr später Ministerpräsident geworden war, leistete er mir einen
wohlwollenden Beistand, namentlich dadurch, daß er bei dem Kron-
prinzen die Bedenken und Besorgnisse über die Zukunft unsres
Landes bekämpfte, die ihm von England aus gegen mich als
Russenfreund beigebracht worden waren und die später zu dem
Danziger Pronunciamiento führten. Auf seinem Sterbebette 1) ließ
er den Kronprinzen zu sich bitten, warnte eindringlich vor den Ge-
fahren, welche seine Opposition der Monarchie bereiten könnte, und
bat den Prinzen, an mir festzuhalten 2).
Im Sommer 1861 war es innerhalb des Ministeriums zu
einem Kampfe gekommen, der in dem nachstehenden Brief des
Kriegsministers von Roon vom 27. Junis) geschildert ist:
„Berlin, den 27. Juni 1861.
Sie sind wohl im Allgemeinen über die jetzt kritische Huldi-
gungsfrage orientirt. Sie ist zum Brechen scharf zugespitzt. Der
König kann nicht nachgeben, ohne sich und die Krone für immer
zu ruiniren. Die Mehrzahl der Minister kann es ebenso wenig;
sie würden sich die unmoralischen Bäuche ausfschlitzen, sich politisch
1) R. v. Auerswald starb am 15. Januar 1866.
2) Vgl. Aus dem Leben Theodor von Bernhardis VI 227 f. 234.
") Bismarck-Jahrbuch VI 194 ff.