248 Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
fühle ich jetzt, nachdem ich, wie ein abgetriebenes Arbeitsroß, des
Zaumes und Geschirrs ledig, auf die Koppel gelassen bin. Fällt
nichts Besonderes vor, so will ich erst in den ersten September-
tagen in mein Joch zurückkehren. Dann, denke ich, verfehlen wir
uns nicht wieder. Zwar muß ich schon am 9. September wieder
nach dem Rhein zu den Manövern, aber doch nur auf zehn, elf
Tage. Ob der König, wie er will (2), auch Anfang September
auf einige Tage nach B. gehen wird, scheint eine offene Frage.
Mir scheint, es sei unerläßlich, wenn überhaupt noch von könig-
lichem Regiment in Preußen die Rede ist.
Nach Ihrem Schreiben darf ich hoffen, daß Sie nicht vor der
Krönung nach Petersburg zurückkehren werden. Ich halte es für
einen großen politischen Fehler, daß die Kreuzzeitung das Krönungs-
Manifest so schonungslos kritisirt hat K). Ein nicht geringerer
würde es sein, wenn die Anhänger des Blatts bei der Ceremonie
fehlten. Das sagen Sie Moritz. Man hat durch jenen unglück-
lichen Artikel viel Terrain verloren; es muß wiedergewonnen
werden.
Zum Schluß noch die besten Wünsche für Ihre verschiedenen
Kuren. Möchten Sie recht gestärkt daraus hervorgehen! Die Zeit
ist nahe, wo Sie alle Ihre Kräfte gebrauchen werden, zum Heile
Ihres Landes. — Ihrer Frau Gemahlin meine, unfre respect-
vollsten freundlichsten Grüße!
Diesen Brief sende ich über Zimmerhausen und recommandirt;
er darf nicht in unrechte Hände fallen!
v. Roon."
Auf Wunsch des Ministers von Schleinitz begab ich mich am
10. Juli nach Baden-Baden, um mich bei dem Könige zu melden.
Er schien von meinem Erscheinen unangenehm überrascht in der
beinung, ich komme wegen der Ministerkrisis. Ich erwähnte, ich
X) Der König hat seit jenem Artikel die Kreuzzeitung nicht wieder
gelesen.