Napoleon schlägt ein französisch-preußisches Bündniß vor. 257
et en profiter. Dieser Gedanke einer „diplomatischen Allianz“,
in welcher man die Gewohnheit gegenseitigen Vertrauens annähme
und für schwierige Lagen auf einander zu rechnen lernte, wurde
von dem Kaiser weiter ausgesponnen. Dann plötzlich stehen blei-
bend, sagte er:
„Sie können Sich nicht vorstellen, quelles singulières ouver-
tures m’'a fait faire I'Autriche, il yF a peu de jours. Es scheint,
daß das Zusammentreffen Ihrer Ernennung und der Ankunft des
Herrn von Budberg in Paris einen panischen Schrecken in Wien
erzeugt hat. Der Fürst Metternich hat mir gesagt, er habe In-
structionen erhalten, die so weit gingen, daß er selbst darüber er-
schrocken sei; er habe unbegrenzte Vollmachten, wie sie je ein Sou-
verain seinem Vertreter anvertraut, in Betreff aller und jeder Frage,
die ich anregen würde, sich mit mir um jeden Preis zu verständigen.
Ich wurde durch diese Eröffnung in einige Verlegenheit gesetzt,
denn abgesehn von der Unnverträglichkeit der Interessen beider
Staaten habe ich eine fast abergläubische Abneigung dagegen, mich
mit den Geschicken Oestreichs zu verflechten“ 7.
Ganz aus der Luft gegriffen konnten diese Auslassungen des
Kaisers nicht sein, wenn er auch erwarten durfte, daß ich meine
gesellschaftlichen Beziehungen zu Metternich nicht bis zum Bruch
des mir gewährten Vertrauens ausnutzen werde. Unvorsichtig war
diese Eröffnung an den Preußischen Gesandten jedenfalls, mochte
sie wahr oder übertrieben sein. Ich war schon in Frankfurt zu
der Ueberzeugung gelangt, daß die Wiener Politik unter Umständen
vor keiner Combination zurückschrecke; daß sie Venetien oder das
linke Rheinufer opfern würde, wenn damit auf dem rechten eine
Bundesverfassung mit gesichertem Uebergewicht Oestreichs über
Preußen zu erkaufen sei, daß die deutsche Phrase in der Hofburg
!) Man vergleiche damit den fast wörtlich übereinstimmenden Bericht
vom 28. Juni 1862 an Bernstorff, der dem Fürsten Bismarck bei der Auf-
zeichnung seiner Erinnerungen nicht vorgelegen hat. Bismarck-Jahrbuch
VI 152 ff.
Otto Fürst von Vismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 17