Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Roon über den Eintritt ins Ministerium. 259 
liche Geschäfte beruhigt die Nerven nicht. Ich ging meiner Ansicht 
nach auf 10 bis 14 Tage her, und bin nun 7 Wochen hier, ohne 
je zu wissen, ob ich in 24 Stunden noch hier wohne. Ich will mich 
dem Könige nicht aufdrängen, indem ich in Berlin vor Anker liege, 
und gehe nicht nach Hause, weil ich fürchte, auf der Durchreise 
durch Berlin im Gasthof auf unbestimmte Zeit angenagelt zu werden. 
Aus Bernstorffs Brief 1) ersehe ich, daß es dem Könige vor der Hand 
nicht gefällt, mir das Auswärtige zu übertragen, und daß Se. Ma- 
jestät sich noch nicht über die Frage schlüssig gemacht hat, ob ich 
an Hohenlohes Stelle treten soll, diese Frage aber auch nicht durch 
Ertheilung eines Urlaubs auf 6 Wochen negativ präjudiciren will. 
Der König ist, wie mir Bernstorff schreibt, zweifelhaft, ob ich 
während der gegenwärtigen Session nützlich sein könne und ob 
nicht meine Berufung, wenn sie überhaupt erfolgt, zum Winter 
aufzuschieben sei. Unter diesen Umständen wiederhole ich heut 
mein Gesuch um 6 Wochen Urlaub :), was ich mir wie folgt moti- 
vire. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung durch 
Berg= und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten 
soll, so muß ich etwas Gesundheitsvorrath sammeln, und Paris ist 
mir bis jetzt schlecht bekommen mit dem Hunde-Bummel-Leben als 
Gargon. Zweitens muß der König Zeit haben, sich ruhig aus 
eigner Bewegung zu entschließen, sonst macht Se. Majestät für die 
Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bern- 
storff jetzt nicht abgehn, der König hat ihn wiederholt aufgefordert 
zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen 
garnicht gesprochen habe; die Stellung als Minister ohne Porte- 
feuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt, 
der jetzt zwecklos und beiläufig erscheinen würde, in einem spätern 
Moment als eindrucksvolles Manöver verwerthet werden. 
Ich denke mir, daß das Ministerium allen Streichungen im 
1) Vom 12. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 155 f. 
2) Brief an Bernstorff vom 15. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 156 ff.
	        
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