Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Roon über den Eintritt ins Ministerium. 261 
los“. Dann sind alle Centralen und Halben zum Unterhandeln 
geneigt. 
Das Alles beruht mehr auf instinctivem Gefühl, als daß ich 
beweisen könnte, es sei so; und ich gehe nicht so weit, zu irgend 
etwas, das mir der König befiehlt, deshalb auf eigne Faust nein 
zu sagen. Wenn ich aber um meine Ansicht gefragt werde, so bin 
ich dafür, noch einige Monat hinter dem Busch gehalten zu werden. 
Vielleicht ist dieß Alles Rechnung ohne den Wirth, vielleicht 
entschließt sich Se. Majestät niemals dazu, mich zu ernennen, denn 
ich sehe nicht ein, warum es überhaupt geschehn sollte, nachdem es 
seit 6 Wochen nicht geschehn ist. Daß ich aber hier den heißen 
Staub von Paris schlucken, in Cafés und Theatern gähnen, oder 
mich in Berlin wieder als politischer Dilettant in's Hôtel Royal ein- 
lagern soll, dazu fehlt aller Grund, die Zeit ist besser im Bade zu 
verwenden. 
Ich bin doch erstaunt von der politischen Unfähigkeit unfrer 
Kammern, und wir sind doch ein sehr gebildetes Land; ohne Zweifel 
zu sehr; die Andern sind bestimmt auch nicht klüger, als die Blüthe 
unsrer Klassenwahlen, aber sie haben nicht dieß kindliche Selbst- 
vertrauen, mit dem die Unsrigen ihre unfähigen Schamtheile in voller 
Nacktheit als mustergültig an die Oeffentlichkeit bringen. Wie sind 
wir Deutschen doch in den Ruf schüchterner Bescheidenheit gekommen? 
Es ist Keiner unter uns, der nicht vom Kriegführen bis zum Hunde- 
flöhen alles besser verstände, als sämmtliche gelernte Fachmänner, 
während es doch in andern Ländern Viele giebt, die einräumen, von 
manchen Dingen weniger zu verstehn als Andre, und deshalb sich 
bescheiden und schweigen. 
Den 16. Ich muß heut schleunig schließen, nachdem meine 
Zeit von andern Geschäften fortgenommen ist. 
Mit herzlichen Empfehlungen an die Ihrigen bin ich in alter 
Treue 
Ihr 
v. B.“
	        
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