Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

266 Elftes Kapitel: Zwischenzustand. 
es wenigstens bis 1875 zu sein. Schaffen Sie mir diese oder jede 
andre Gewißheit, und ich male Engelsflügel an Ihre Photographie! — 
Was verstehn Sie unter Ende dieser Session"? Läßt sich 
das so bestimmt voraussehn, wird sie nicht in die Wintersession 
ohne Pause übergehn? Und kann man die Kammern schließen 
ohne Resultat über das Budget? Ich will die Frage nicht grade 
verneinen, es kommt auf den Feldzugsplan an. 
Ich reise eben nach Montpellier ab, von dort über Lyon nach 
Paris. Bitte schreiben Sie mir dahin, und grüßen Sie herzlich 
die Ihrigen. In treuer Freundschaft Ihr v. B.“ 1) 
In Paris erhielt ich folgendes Telegramm, dessen Unterschrift 
auf einer Verabredung beruhte: 
Berlin, le 18 Septembre. 
Periculum in mora. Dépêéchez-vous. 
LT'oncle de Maurice Henning. 
Henning war der zweite Vorname Moritz Blanckenburgs, des 
Neffen von Roon. Obwohl es die Fassung zweifelhaft ließ, ob die 
Aufforderung aus der eignen Initiative Roons hervorgegangen oder 
von dem Könige veranlaßt war, zögerte ich nicht abzureisen. 
Am 20. September Morgens in Berlin angelangt, wurde 
ich zu dem Kronprinzen beschieden. Auf seine Frage, wie ich die 
Situation ansähe, konnte ich nur sehr zurückhaltend antworten, 
weil ich während der letzten Wochen keine deutschen Zeitungen ge- 
lesen und in einer Art von dépit mich über heimische Angelegen- 
heiten nicht informirt hatte. Meine Verstimmung hatte ihren Grund 
darin, daß der König mir in Aussicht gestellt hatte, mir in spätestens 
sechs Wochen Gewißheit über meine Zukunft, d. h. darüber zu geben, 
ob ich in Berlin, Paris oder London mein Domizil haben sollte, 
daß darüber aber schon ein Vierteljahr verflossen war, und ich im 
1) S. Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 359 ff., Roon's Denkwürdigkeiten 
II 117 ff.
	        
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