Bürokratismus sonst und jetzt. 11
Collegien hatten damals multa, nicht multum zu thun, und der
Mangel an höhern Aufgaben brachte es mit sich, daß sie kein
ausreichendes Quantum wichtiger Geschäfte fanden und in ihrem
Pflichteifer sich über das Bedürfniß der Regirten hinaus zu thun
machten, in die Neigung zur Reglementirerei, zu dem, was der
Schweizer „Befehlerle“ nennt, geriethen. Man hatte, um einen
vergleichenden Blick auf die Gegenwart zu werfen, gehofft, daß
die Staatsbehörden durch die Einführung der heutigen localen
Selbstverwaltung an Geschäften und an Beamten würden ent-
bürdet werden; aber im Gegentheile, die Zahl der Beamten und
ihre Geschäftslast sind durch Correspondenzen und Frictionen mit
den Organen der Selbstverwaltung von dem Provinzialrathe bis zu
der ländlichen Gemeindeverwaltung erheblich gesteigert worden. Es
muß früher oder später der wunde Punkt eintreten, wo wir von
der Last der Schreiberei und besonders der subalternen Bürokratie
erdrückt werden.
Daneben ist der bürokratische Druck auf das Privatleben
durch die Art der Ausführung der „Selbstverwaltung“ verstärkt
worden und greift in die ländlichen Gemeinden schärfer als früher
ein. Vorher bildete der der Bevölkerung ebenso nahe als dem Staate
stehende Landrath den Abschluß der staatlichen Bürokratie nach
unten; unter ihm standen locale Verwaltungen, die wohl der Controlle,
aber nicht in gleichem Maße wie heut der Disciplinargewalt der
Bezirks= oder Ministerial-Bürokratie unterlagen. Die ländliche Be-
völkerung erfreut sich heut vermöge der ihr gewährten Selbst-
regirung nicht etwa einer ähnlichen Autonomie wie seit lange die
der Städte, sondern sie hat in Gestalt des Amtsvorstehers einen
Vorstand erhalten, der durch Befehle von oben, vom Landrathe
unter Androhung von Ordnungsstrafen disciplinarisch angehalten
wird, im Sinne der staatlichen Hierarchie seine Mitbürger in seinem
Bezirke mit Listen, Meldungen und Zumuthungen zu belästigen.
Die regirte contribuens plebs hat in der landräthlichen Instanz
ungeschickten Eingriffen gegenüber nicht mehr die Garantie, welche