278 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
Verantwortlichkeit dafür sofort richtig vertheilt worden. Erst die
Ausschüttung der Archive und die Denkwürdigkeiten Mithandelnder
und Mitwissender setzten 50 bis 100 Jahre später die öffentliche
Meinung in den Stand, für die einzelnen Mißgriffe das #chro?
deödoc, die Gabelung auf den unrichtigen Weg zu erkennen.
Friedrich der Große hinterließ ein reiches Erbe von Autorität und
von Glauben an die preußische Politik und Macht. Seine Erben
konnten, wie heut der neue Curs von der Erbschaft des alten, zwei
Jahrzehnte hindurch davon zehren, ohne sich über die Schwächen
und Irrthümer ihrer Epigonenwirthschaft klar zu werden; noch in
die Schlacht von Jena hinein trugen sie sich mit der Ueberschätzung
des eignen militärischen und politischen Könnens. Erst der Zu-
sammenbruch der folgenden Wochen brachte den Hof und das Volk
zu dem Bewußtsein, daß Ungeschick und Irrthum in der Staats-
leitung obgewaltet hatten. Wessen Ungeschick und wessen Irrthum
aber, wer persönlich die Verantwortlichkeit für diesen gewaltigen
und unerwarteten Zusammenbruch trug, darüber kann selbst heut
noch gestritten werden.
In einer absoluten Monarchie, und Preußen war damals eine
solche, hat an der Verantwortlichkeit für die Politik außer dem
Souverän Niemand einen genau nachweislichen Antheil; faßt oder
genehmigt dieser verhängnißvolle Beschlüsse, so kann Niemand
beurtheilen, ob sie das Ergebniß eignen moralischen Willens oder
des Einflusses sind, den die verschiedenartigsten Persönlichkeiten
männlichen und weiblichen Geschlechts, Adjutanten, Höflinge und
politische Intriganten, Schmeichler, Schwätzer und Ohrenbläser
auf den Monarchen geübt haben. Die Allerhöchste Unterschrift
deckt schließlich Alles; wie sie erreicht worden ist, erfährt kein
Mensch. Dem jedesmaligen Minister die Verantwortlichkeit für
das Geschehene aufzuerlegen, ist für monarchische Auffassungen
der nächstliegende Ausweg. Aber selbst wenn die Form des Ab-
solutismus der Form der Verfassung Platz gemacht hat, ist die
sogenannte Ministerverantwortlichkeit keine von dem Willen des