Friedrichs II. Epigonen. Die Frage der Verantwortlichkeit. 279
unverantwortlichen Monarchen unabhängige. Gewiß kann ein Mi-
nister abgehn, wenn er die königliche Unterschrift für das, was
er für nothwendig hält, nicht erlangen kann; aber er übernimmt
durch sein Abtreten die Verantwortlichkeit für die Consequenzen
desselben, die vielleicht auf andern Gebieten viel tiefgreifender sind
als auf dem grade streitigen.
Er ist außerdem durch die collegiale Form des Staats-
ministeriums mit ihren Majoritätsabstimmungen zu Compromissen
und zu Nachgiebigkeit seinen Collegen gegenüber nach der preußi-
schen Ministerverfassung täglich genöthigt. Eine wirkliche Verant-
wortlichkeit in der großen Politik aber kann nur ein einzelner
leitender Minister, niemals ein anonymes Collegium mit Majoritäts-
abstimmung, leisten. Die Entscheidung über Wege und Abwege
liegt oft in minimalen, aber einschneidenden Wendungen, zuweilen
schon in der Tonart und der Wahl der Ausdrücke eines inter-
nationalen Actenstückes. Schon bei geringer Abweichung von der
richtigen Linie wächst die Entfernung von derselben oft so rapid,
daß der verlassene Strang nicht wieder erreicht werden kann, und
die Umkehr bis zu dem Gabelpunkt, wo er verlassen wurde, un-
ausführbar ist. Das übliche Amtsgeheimniß deckt die Umstände,
unter denen eine Entgleisung stattgefunden hat, Menschenalter
hindurch, und das Ergebniß der Unklarheit, in welcher der prag-
matische Zusammenhang der Dinge bleibt, erzeugt bei leitenden
Ministern, wie das bei manchen meiner Vorgänger der Fall war,
Gleichgültigkeit gegen die sachliche Seite der Geschäfte, sobald die
formale durch königliche Unterschrift oder parlamentarische Vota
gedeckt erscheint. Bei Andern wieder führt der Kampf zwischen dem
eignen Ehrgefühl und der Verstrickung der Competenzoerhältnisse
zu tödtlichen Nervensiebern, wie bei dem Grafen Brandenburg,
oder zu Symptomen von Geistesstörung, wie in einigen frühern
Fällen.
Es ist schwer zu sagen, wie die Verantwortlichkeit für unfre
Politik während der Regirung Friedrich Wilhelms IV. mit Ge-