280 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
rechtigkeit zu vertheilen sei. Rein menschlich gesprochen, wird sie
in der Hauptsache auf dem Könige selbst beruhn bleiben, denn er
hat überlegne, ihn und die Geschäfte leitende Rathgeber zu keiner
Zeit gehabt. Er behielt sich die Auswahl unter den Rathschlägen
nicht nur jedes einzelnen Ministers, sondern auch unter den viel
zahlreichern vor, die ihm von mehr oder weniger geistreichen
Adjutanten, Cabinetsräthen, Gelehrten, unehrlichen Strebern,
ehrlichen Phantasten und Höflingen vorgetragen wurden. Und
diese Auswahl behielt er sich oft lange vor. Es ist oft weniger
schädlich, etwas Unrichtiges als nichts zu thun. Ich habe nie den
Muth gehabt, die Gelegenheiten, die mir dieser persönlich so
liebenswürdige Herr mehrmals, zuweilen scharf und beinahe zwingend,
in den Jahren 1852 bis 1856 geboten hat, sein Minister zu werden,
zu benutzen oder ihre Verwirklichung zu fördern. Wie er mich
betrachtete, hätte ich ihm gegenüber keine Autorität gehabt, und
seine reiche Phantasie war flügellahm, sobald sie sich auf dem
Gebiete praktischer Entschlüsse geltend machen sollte. Mir fehlte die
schmiegsame Gefügigkeit zur Uebernahme und ministeriellen Ver-
tretung von politischen Richtungen, an die ich nicht glaubte, oder
für deren Durchführung ich dem Könige den Entschluß und die
Consequenz nicht zutraute. Er unterhielt und förderte die Elemente
des Zwiespalts zwischen seinen einzelnen Ministern; die Frictionen
zwischen Manteuffel, Bodelschwingh und Heydt, die in triangularem
Kampfe mit einander standen, waren dem Könige angenehm und
ein politisches Hülfsmittel in kleinen Detail-Gefechten zwischen könig-
lichem und ministeriellem Einfluß. Manteuffel hat mit vollem
Bewußtsein die Camarilla-Thätigkeit von Gerlach, Rauch, Niebuhr,
Bunsen, Edwin Manteuffel geduldet; er trieb seine Politik mehr
defensiv als im Hinblick auf bestimmte Ziele, fortwurstelnd, wie
Graf Taaffe sagte, und beruhigt, wenn er durch allerhöchste Unter-
schrift gedeckt war; doch hat der reine Absolutismus ohne Parla-
ment immer noch das Gute, daß ihm ein Gefühl der Verantwort-
lichkeit für eigne Thaten bleibt. Gefährlicher ist der durch gefügige