284 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
sichern, müßten die Abgeordneten das möglichst große Gewicht von
Eisen und Blut in die Hand des Königs von Preußen legen,
damit er es nach seinem Ermessen in die eine oder die andre Wag-
schale werfen könne. Ich hatte demselben Gedanken schon im
Abgeordnetenhause 1849 Schramm gegenüber auf der Tribüne Aus-
druck gegeben bei Gelegenheit einer Amnestie-Debatte 7).
Roon, der zugegen war, sprach beim Nachhausegehn seine
Unzufriedenheit mit meinen Aeußerungen aus, sagte u. A., er hielte
dergleichen „geistreiche Excurse“ unfrer Sache nicht für förderlich.
Meine eignen Gedanken bewegten sich zwischen dem Wunsche, Ab-
geordnete für eine energische nationale Politik zu gewinnen, und
der Gefahr, den König in seiner vorsichtigen und gewaltsame Mittel
scheuenden Veranlagung mißtrauisch gegen mich und meine Absichten
zu machen. Um dem vermuthlichen Eindruck der Presse auf ihn
bei Zeiten entgegen zu wirken, fuhr ich ihm nach Jüterbogk entgegen.
Ich hatte einige Mühe, durch Erkundigungen bei kurz ange-
bundenen Schaffnern des fahrplanmäßigen Zuges den Wagen zu
ermitteln, in dem der König allein in einem gewöhnlichen Coupé
erster Klasse saß. Er war unter der Nachwirkung des Verkehrs
mit seiner Gemalin sichtlich in gedrückter Stimmung, und als ich
um die Erlaubniß bat, die Vorgänge während seiner Abwesenheit
darzulegen, unterbrach er mich mit den Worten:
„Ich sehe ganz genau voraus, wie das Alles endigen wird.
Da vor dem Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man Ihnen
den Kopf abschlagen und etwas später mir.“
Ich errieth, und es ist mir später von Zeugen bestätigt worden,
daß er während des achttägigen Aufenthalts in Baden mit Varia—
tionen über das Thema Polignac, Strafford, Ludwig XVI. bearbeitet
worden war. Als er schwieg, antwortete ich mit der kurzen Phrase
„ Et après, sire?“ — „Ja, aprêès, dann sind wir todt!“ erwiderte
der König. „Ja,“ fuhr ich fort, „dann sind wir todt, aber sterben
1) Vgl. Rede vom 22. März 1849, Politische Reden 1 76 f.