Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Preußen als Großmacht. Dynastische Anhänglichkeit in Deutschland. 291 
dynastische Beziehungen, auf denen die centrifugalen Elemente ur- 
sprünglich beruhn. Es kommt nicht die Anhänglichkeit an schwäbische, 
niedersächsische, thüringische Eigenthümlichkeit zur Hebung, sondern 
die durch die Dynastien Braunschweig, Brabant, Wittelsbach zu 
einem dynastischen Antheil an dem Körper der Nation gesonderten 
Convolute der Herrschaft einer fürstlichen Familie. Der Zusammen- 
hang des Königreichs Baiern beruht nicht nur auf dem bajuvari- 
schen Stamme, wie er im Süden Baierns und in Oestreich vor- 
handen ist, sondern der Augsburger Schwabe, der Pfälzer Alemanne 
und der Mainfranke, sehr verschiedenen Geblüts, nennen sich mit 
derselben Genugthuung Baiern, wie der Altbaier in München und 
Landshut, lediglich weil sie mit den letztern durch die gemeinschaftliche 
Dynastie seit drei Menschenaltern verbunden sind. Die am meisten 
ausgeprägten Stammeseigenthümlichkeiten, die niederdeutsche, platt- 
deutsche, sächsische, sind durch dynastische Einflüsse schärfer und 
tiefer als die übrigen Stämme geschieden. Die deutsche Vater- 
landsliebe bedarf eines Fürsten, auf den sich ihre Anhänglichkeit 
concentrirt. Wenn man den Zustand fingirte, daß sämmtliche 
deutsche Dynastien plötzlich beseitigt wären, so wäre nicht wahr- 
scheinlich, daß das deutsche Nationalgefühl alle Deutschen in den 
Frictionen europäischer Politik völkerrechtlich zusammenhalten würde, 
auch nicht in der Form föderirter Hansestädte und Reichsdörfer. 
Die Deutschen würden fester geschmiedeten Nationen zur Beute 
fallen, wenn ihnen das Bindemittel verloren ginge, welches in dem 
gemeinsamen Standesgefühl der Fürsten liegt. 
Die geschichtlich am stärksten ausgeprägte Stammeseigen- 
thümlichkeit in Deutschland ist wohl die preußische, und doch wird 
Niemand die Frage mit Sicherheit beantworten können, ob der 
staatliche Zusammenhang Preußens fortbestehn würde, wenn man 
sich die Dynastie Hohenzollern und jede, die ihr rechtlich nach- 
folgen könnte, verschwunden denkt. Ist es wohl sicher, daß der 
östliche und der westliche Theil, daß Pommern, Hanoveraner, 
Holsteiner und Schlesier, daß Aachen und Königsberg, im untrenn-
	        
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