Der Landrath sonst und jetzt. Parteiwesen und Richter. 13
Gerichten den starken Parteiströmungen leichter und hingebender
unterliegen als Verwaltungsbeamte; und es ist auch kein psycho—
logischer Grund dafür erfindlich, daß bei gleicher Bildung die
letztern a priori für weniger gerecht und gewissenhaft in ihren
amtlichen Entscheidungen gehalten werden sollten als die erstern.
Wohl aber nehme ich an, daß die amtlichen Entschließungen an
Ehrlichkeit und Angemessenheit dadurch nicht gewinnen, daß sie
collegialisch gefaßt werden; abgesehn davon, daß Arithmetik und
Zufall bei dem Majoritätsvotum an die Stelle logischer Begrün—
dung treten, geht das Gefühl persönlicher Verantwortlichkeit, in
welcher die wesentliche Bürgschaft für die Gewissenhaftigkeit der
Entscheidung liegt, sofort verloren, wenn diese durch anonyme
Majoritäten erfolgt.
Der Geschäftsgang in beiden Collegien, in Potsdam wie in
Aachen, war für meine Strebsamkeit nicht ermuthigend gewesen.
Ich fand die mir zugewiesene Beschäftigung kleinlich und lang—
weilig, und meine Arbeiten auf dem Gebiete der Mahlsteuerprozesse
und der Beitragspflicht zum Bau des Dammes in Notzis bei
Wusterhausen haben mir kein Heimweh nach meiner damaligen Thätig-
keit hinterlassen. Dem Ehrgeiz der Beamtenlaufbahn entsagend,
erfüllte ich gerne den Wunsch meiner Eltern, in die festgefahrne
Bewirthschaftung unsrer pommerschen Güter einzutreten. Auf dem
Lande dachte ich zu leben und zu sterben, nachdem ich Erfolge in
der Landwirthschaft erreicht haben würde, vielleicht auch im Kriege,
wenn es einen gäbe. Sovweit mir auf dem Lande Ehrgeiz verblieb,
war es der des Landwehr-Lieutenants.
II.
Die in meiner Kindheit empfangenen Eindrücke waren wenig
dazu angethan, mich zu verjunkern. In der nach Pestalozzi'schen und
Jahn'schen Grundsätzen eingerichteten Plamann'schen Erziehungs-