Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Die neuen Minister: Bodelschwingh, Itzenplitz, Jagow, Selchow, Eulenburg. 299 
dem er ausgeschieden und in die Stelle des Oberpräsidenten in 
Potsdam eingerückt war. In wichtigen Angelegenheiten der Stadt 
Berlin schwebten Verhandlungen, in denen er das ressortmäßige 
Mittelglied zwischen der Regirung und den Gemeindebehörden 
war. Die Dringlichkeit der Sache brachte es mit sich, daß das 
Staatsministerium den Oberbürgermeister ersuchte, sich nach Pots- 
dam zu begeben und über einen entscheidenden Punkt die Anträge 
des Oberpräsidenten mündlich einzuholen und darüber in einer zu 
dem Zweck angesagten Abendsitzung des Ministeriums zu berichten. 
Der Oberbürgermeister hatte eine zweistündige Audienz; aber zur 
Berichterstattung darüber in der Sitzung erscheinend, erklärte er, 
eine solche nicht machen zu können, weil er während der zwei 
Stunden, die zwischen den beiden Zügen lagen, dem Herrn Ober- 
präsidenten gegenüber nicht zu Worte gekommen sei. Er habe es 
wiederholt und bis zur Unhöflichkeit versucht, seine Frage zu stellen, 
sei aber von dem Vorgesetzten stets und mit steigender Energie 
mit den Worten zur Ruhe verwiesen worden: „Erlauben Sie, ich 
bin noch nicht fertig, bitte mich ausreden zu lassen.“ Dieser Be- 
richt des Oberbürgermeisters erzeugte einen geschäftlichen Verdruß, 
rief aber doch in der Erinnerung an eigne frühere Erlebnisse einige 
Heiterkeit hervor. 
Mein landwirthschaftlicher College von Selchow entsprach in 
seiner Begabung nicht dem Rufe, der ihm in der Provinzial- 
verwaltung vorhergegangen war. Der König hatte ihm das zur 
Zeit wichtigste Ministerium des Innern zugedacht. Nach einer 
längern Unterredung, in der ich die Bekanntschaft des Herrn 
von Selchow machte, bat ich Se. Majestät, davon abzustehn, 
weil ich ihn der Aufgabe nicht für gewachsen hielt, und schlug 
statt seiner den Grafen Friedrich Eulenburg vor. Beide Herrn 
standen mit dem Könige in maurerischen Beziehungen und wurden 
bei den Schwierigkeiten, die die Vervollständigung des Ministe- 
riums hatte, erst im December zum Eintritt bewogen. Der König 
hatte Zweifel an Graf Eulenburgs Sachkunde auf dem Gebiete
	        
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