302 Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Ministerium.
innere mich, daß ich schon in Gastein im August 1865 bis zur
Unhöflichkeit darauf bestehn mußte, allein mit Herrn von Mühler
über einen königlichen Befehl zu sprechen, ehe es mir gelang, die
Frau Ministerin zu bewegen, uns allein zu lassen. Das Vorkommen
einer solchen Nöthigung hatte seinerseits Verstimmungen zur Folge,
die sich bei seiner sachkundigen Behandlung der Dinge auf mein
geschäftliches Verhältniß zunächst nicht übertrugen, aber doch die
Ergebnisse unfres persönlichen Verkehrs beeinträchtigten. Frau von
Mühler empfing ihre politische Direction nicht von ihrem Gemale,
sondern von Ihrer Majestät, mit welcher Fühlung zu erhalten sie
vor Allem bestrebt war. Die Hofluft, die Nangfragen, die äußer-
liche Kundgebung Allerhöchster Intimität haben nicht selten auf
Ministerfrauen einen Einfluß, der sich in der Politik fühlbar macht;
die persönliche, der Staatsraison in der Regel zuwiderlaufende
Politik der Kaiserin Augusta fand in Frau von Mühler eine be-
reitwillige Dienerin, und Herr von Mühler, wenn auch ein ein-
sichtiger und ehrlicher Beamter, war doch nicht fest genug in
seinen Ueberzeugungen, um nicht dem Hausfrieden Concessionen
auf Kosten der Staatspolitik zu machen, wenn es in unauffälliger
Weise geschehn konnte.
Der Justizminister Graf zur Lippe hatte vielleicht von seiner
Thätigkeit als Staatsanwalt die Gewohnheit beibehalten, auch das
Schärfste mit lächelnder Miene, mit einem höhnischen Ausdrucke
von Ueberlegenheit zu sagen, und verstimmte dadurch die Parlamente
und die Collegen. Er stand nächst Bodelschwingh am weitesten
rechts unter uns und war in Vertretung seiner Richtung schärfer
als dieser, weil er in seinem Ressort sachkundig genug war, um
seiner persönlichen Ueberzeugung folgen zu können, während Bodel-
schwingh den Geschäftsgang des Finanzministeriums ohne den wil-
ligen Beistand seiner sachkundigen Räthe nicht beherrschen konnte,
diese Räthe aber in ihrer politischen Auffassung weiter links standen
als ihr Chef und das ganze Ministerium.