308 Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebensche Convention.
der russischen Politik war dazu angethan, die seit dem Pariser
Frieden und schon früher gelegentlich angestrebte russisch-französische
Fühlung zu beleben, und ein polenfreundliches, russisch-französisches
Bündniß, wie es vor der Julirevolution in der Luft schwebte, hätte
das damalige Preußen in eine schwierige Lage gebracht. Wir hatten
das Interesse, im russischen Cabinet die Partei der polnischen
Sympathien, auch solcher im Sinne Alexanders I., zu bekämpfen.
Daß Rußland selbst keine Sicherheit gegen die polnische Verbrüde-
rung gewährte, konnte ich aus den vertraulichen Gesprächen ent-
nehmen, die ich theils mit Gortschakow, theils mit dem Kaiser
selbst hatte. Kaiser Alexander war damals nicht abgeneigt, Polen
theilweis aufzugeben; er hat mir das mit dürren Worten gesagt,
wenigstens mit Bezug auf das linke Weichselufer, indem er, ohne
Accent darauf zu legen, Warschau ausnahm, das immerhin als
Garnison in der Armee seinen Reiz hätte und strategisch zu dem
Festungsdreieck an der Weichsel gehörte. Polen wäre eine Quelle
von Unruhe und europäischen Gefahren für Rußland, die Russifi-
cirung sei nicht durchführbar wegen der confessionellen Verschieden-
heit und wegen des Mangels an administrativer Befähigung der
russischen Organe. Bei uns gelinge es, das polnische Gebiet zu
germanisiren (2), wir hätten die Mittel dazu, weil die deutsche Be-
völkerung gebildeter sei als die polnische. Der Russe fühle nicht
die nöthige Ueberlegenheit, um die Polen zu beherrschen, man
müsse sich auf das Minimum polnischer Bevölkerung beschränken,
welches die geographische Lage zulasse, also auf die Weichselgrenze
und Warschau als Brückenkopf.
Ich kann nicht darüber urtheilen, in wie weit diese Darlegung
des Kaisers reiflich erwogen war. Mit Staatsmännern besprochen
wird sie gewesen sein, denn eine ganz selbständige, persönliche,
politische Initiative mir gegenüber habe ich vom Kaiser nie er-
fahren. Dieses Gespräch fand zu einer Zeit statt, wo meine Ab-
berufung schon wahrscheinlich war, und meine nicht blos höfliche,
sondern wahrheitsgemäße Aeußerung, daß ich meine Abberufung