Alexander II. über Polen. Werth der russischen Freundschaft. 309
bedauerte und gern in Petersburg bleiben würde, veranlaßte den
Kaiser mißverständlich zu der Frage, ob ich geneigt sei, in russische
Dienste zu treten. Ich verneinte das höflich unter Betonung des
Wunsches, als preußischer Gesandter in der Nähe Sr. Majestät zu
bleiben. Es wäre mir damals nicht unlieb gewesen, wenn der
Kaiser zu dem Zwecke Schritte gethan hätte, denn der Gedanke,
der Politik der neuen Aera, sei es als Minister, sei es als Ge-
sandter in Paris oder London ohne die Aussicht auf Mitwirkung
an unfrer Politik, zu dienen, hatte an sich nichts Verführeri-
sches. Wie ich dem Lande und meiner Ueberzeugung in London
oder Paris würde nützen können, wußte ich nicht, während
mein Einfluß bei dem Kaiser Alexander und den hervorragenden
seiner Staatsmänner nicht ohne Bedeutung für unfre Interessen
war. Der Gedanke, Minister des Aeußern zu werden, war mir
unbehaglich, etwa wie der Eintritt in ein Seebad bei kaltem
Wetter; aber alle diese Empfindungen waren nicht stark genug,
um mich zu einem Eingriff in die eigne Zukunft oder zu einer
Bitte an den Kaiser Alexander zu solchem Zwecke zu veranlassen
Nachdem ich dennoch Minister geworden war, stand zunächst
die innere Politik mehr im Vordergrunde, als die äußere; in
dieser aber lagen mir die Beziehungen zu Rußland Dank meiner
jüngsten Vergangenheit besonders nahe, und ich war bestrebt, unsrer
Politik den Besitz an Einfluß in Petersburg, den wir dort hatten,
nach Möglichkeit zu erhalten. Es lag auf der Hand, daß die
preußische Politik in deutscher Richtung damals von Oestreich
keine Unterstützung zu erwarten hatte. Es war nicht wahrschein-
lich, daß das Wohlwollen Frankreichs für unfre Stärkung und die
deutsche Einigung auf die Dauer ehrlich sein werde, eine Ueber-
zeugung, die nicht hindern durfte, vorübergehende, auf irrthümlichen
Berechnungen beruhende Unterstützung und Förderung Napoleons
utiliter anzunehmen. Mit Rußland waren wir in derselben Lage
wie mit England, insoweit als wir mit beiden prinzipielle diver-
girende Interessen nicht hatten und durch langjährige Freundschaft