Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Napoleon III. und die Polen. Die polnische Frage für Preußen. 313 
nicht vermöge einer allzu bindenden Form gezwungen wird, ihre 
strenge Ausführung zu überwachen. Ich fürchte nur bei der bis- 
herigen Behandlung der Sache, daß uns die Russen das Verdienst 
der Beilegung nehmen, indem sie ohne uns das thun, wozu wir (9) 
ihnen zureden wollten (2). Die Reise des Großfürsten, der offen- 
bar nicht abberufen ist, ist mir in dieser Beziehung verdächtig. 
Wie, wenn der Kaiser Alexander jetzt eine Constitution verkündigte 
und dem Kaiser Napoleon davon mittelst autographen verbindlichen 
Schreibens Anzeige machte? Es wäre dies immer noch besser als 
die Fortdauer der Differenz, aber ungünstiger für uns, als wenn 
wir vorher dem Kaiser Napoleon gesagt hätten: Wir sind bereit 
dazu zu rathen; würdest Du damit zufrieden sein?“ 
Dieser, schon 14 Tage vorher von dem General Fleury einem 
uitgliede der preußischen Gesandschaft gradezu gemachten Insinua= 
tion, dem Kaiser Alexander zu dem bezeichneten Schritte zu rathen, 
haben wir keine Folge gegeben, und der diplomatische Feldzug der 
drei Mächte ist im Sande verlaufen. Der ganze Plan des Grafen 
Goltz schien mir weder politisch richtig noch würdig, mehr im Pariser 
Sinne als in unserm gedacht. « 
Oestreich hat der polnischen Frage gegenüber nicht die Schwie- 
rigkeiten, die für uns in der gegenseitigen Durchsetzung polni- 
scher und deutscher Ansprüche in Polen und Westpreußen und in 
der Lage Ostpreußens mit der Frage einer Wiederherstellung pol- 
nischer Unabhängigkeit unlösbar verbunden sind. Unfsre geo- 
graphische Lage und die Mischung beider Nationalitäten in den 
Ostprovinzen einschließlich Schlesiens, nöthigen uns, die Eröffnung 
der polnischen Frage nach Möglichkeit hintanzuhalten, und ließen es 
auch 1863 rathsam erscheinen, die Eröffnung dieser Frage durch 
Rußland nicht zu fördern, sondern, so viel wir konnten, zu verhüten. 
Es hat vor 1863 Zeiten gegeben, da man in Petersburg auf 
der Basis der Wielopolskischen Theorien den Großfürsten Con- 
stantin mit seiner schönen Gemalin als Vicekönig von Polen in 
Aussicht nahm — die Großfürstin trug damals polnisches Costüm —,
	        
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