314 Fünfzehntes Kapitel: Die Alvenslebensche Convention.
möglicherweise unter Herstellung der polnischen Verfassung, die,
von Alexander J. gegeben, unter dem alten Großfürsten Constantin
in formaler Geltung war.
Die Militärconvention, welche durch den General Gustav
von Alvensleben im Februar 1863 in Petersburg abgeschlossen wurde,
hatte für die preußische Politik mehr einen diplomatischen als einen
militärischen Zweck1). Sie repräsentirte einen im Cabinet des russi-
schen Kaisers erfochtenen Sieg der preußischen Politik über die pol-
nische, die vertreten war durch Gortschakow, Großfürst Constantin,
Wielopolski und andre einflußreiche Personen. Das Ergebniß be-
ruhte auf directer Kaiserlicher Entschließung im Gegensatz zu mini-
steriellen Bestrebungen. Ein Abkommen politisch-militärischer Natur,
welches Rußland mit dem germanischen Gegner des Panslavismus
gegen den polnischen „Bruderstamm“ schloß, war ein entscheidender
Schlag auf die Aussichten der polonisirenden Partei am russischen
Hofe; und in diesem Sinne hat das militärisch ziemlich anodyne
Abkommen seinen Zweck reichlich erfüllt. Ein militärisches Bedürf-
niß war dafür an Ort und Stelle nicht vorhanden; die russischen
Truppen waren stark genug, und die Erfolge der Insurgenten exi-
stirten zum großen Theil nur in den von Paris bestellten, in Mys-
lowitz fabrizirten, bald von der Grenze, bald vom Kriegsschauplatze,
bald aus Warschau datirten, zuweilen recht märchenhaften Berichten,
die zuerst in einem Berliner Blatte erschienen und dann ihre Runde
durch die europäische Presse machten. Die Convention war ein
gelungener Schachzug, der die Partie entschied, die innerhalb des
russischen Cabinets der antipolnische monarchische und der poloni-
sirende panslavistische Einfluß gegen einander spielten.
Der Fürst Gortschakow hatte der polnischen Frage gegenüber
zuweilen absolutistische, zuweilen — man kann nicht sagen liberale
aber — parlamentarische Anwandlungen. Er hielt sich für einen
1) Vgl. zum Folgenden den Brief Bismarck's an Graf Bernstorff vom
9. März 1863, Bismarck-Jahrbuch VI 172 ff.