Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Wirkung des Einvernehmens mit Oestreich. Unterredung mit Karolyi. 335 
bündet waren, so fand die englische Politik nicht ihres Dienstes, 
ihnen etwa im Bunde mit einer von den ihr gefährlichen Mächten, 
Frankreich und Rußland, feindlich gegenüberzutreten. Sobald aber 
die preußisch-östreichische Freundschaft gesprengt worden wäre, würde 
auch damals das Eingreifen des europäischen Seniorenconvents in 
der dänischen Frage unter englischer Führung erfolgt sein. Es 
war deshalb, wenn unsre Politik nicht wiederum entgleisen sollte, 
von höchster Wichtigkeit, das Einverständniß mit Wien festzuhalten; 
in ihm lag unsre Deckung gegen englisch-europäisches Eingreifen. 
Ich hatte am 4. December 1862 gegenüber dem Grafen Karolyi, 
mit dem ich auf vertrautem Juße stand, mit offnen Karten gespielt. 
Ich sagte ihm: 
„Unsre Beziehungen müssen entweder besser oder schlechter 
werden, als sie sind. Ich bin bereit zu einem gemeinschaftlichen 
Versuche, sie besser zu machen. Mißlingt derselbe durch Ihre 
Weigerung, so rechnen Sie nicht darauf, daß wir uns durch bundes- 
freundliche Redensarten werden fesseln lassen. Sie werden mit uns 
als europäische Großmacht zu thun bekommen; die Paragraphen 
der Wiener Schlußacte haben nicht die Kraft, die Entwicklung 
der deutschen Geschichte zu hemmen“ ½. 
Graf Karolyi, ein ehrlicher und unabhängiger Charakter, hat 
ohne Zweifel genau berichtet, was wir unter vier Augen vertraulich 
besprochen haben. In Wien aber hatte man seit der Olmützer 
und Dresdner Zeit und der Präpotenz Schwarzenbergs eine irrige 
Ansicht gewonnen; man hatte sich gewöhnt, uns für schwächer und 
namentlich für furchtsamer zu halten, als wir zu sein brauchen, 
und das Gewicht fürstlicher Verwandschaft und Liebe in Fragen 
internationaler Politik für die Dauer zu hoch in Ansatz gebracht. 
Die ältern militärischen Vermuthungen sprachen allerdings dafür, 
1) Vgl. die Depesche vom 24. Januar 1863, in der Bismarck über den 
Inhalt seiner Unterredungen mit Karolyi vom 4. und 13. Dec. 1862 Rechen- 
schaft giebt, Staatsarchiv VIII S. 55 ff. Nr. 1751.
	        
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