Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Abneigung Oestreichs gegen friedlichen Dualismus. Einladung. 339 
vor sich ging und von der ich weiter keinen Eindruck behielt, als 
daß er mehr mich sondiren als mir Vorschläge auf dem Gebiete 
der deutschen Frage machen wollte. Die wirthschaftlichen und 
finanziellen Fragen, in denen er mir 1878 den vollen Beistand 
seiner Sachkunde und Arbeitskraft geliehn hat, nahmen schon da— 
mals eine hervorragende Stelle in seiner Auffassung ein, allerdings 
in Anlehnung an großdeutsche Politik mit entsprechender Zoll- 
einigung. 
In Gastein saß ich am 2. August 1863 in den Schwarzen- 
bergischen Anlagen an der tiefen Schlucht der Ache unter den Tannen. 
Ueber mir befand sich ein Meisennest, und ich beobachtete mit der 
Uhr in der Hand, wie oft in der Minnte der Vogel seinen Jungen 
eine Raupe oder andres Ungeziefer zutrug. Während ich der nütz- 
lichen Thätigkeit dieser Thierchen zusah, bemerkte ich, daß auf der 
andern Seite der Schlucht, auf dem Schillerplatze, König Wil- 
helm allein auf einer Bank saß. Als die Zeit herangekommen 
war, mich zu dem Diner bei dem Könige anzuziehn, ging ich in 
meine Wohnung und fand dort ein Brieschen Sr. Majestät vor, 
des Inhalts, daß er mich auf dem Schillerplatze erwarten wolle, 
um wegen der Begegnung mit dem Kaiser mit mir zu sprechen. 
Ich beeilte mich nach Möglichkeit, aber ehe ich das Königliche 
Quartier erreichte, hatte bereits eine Unterredung der beiden hohen 
Herrn stattgefunden. Wenn ich mich weniger lange bei der Natur- 
betrachtung aufgehalten und den König früher gesehn hätte, so wäre 
der erste Eindruck, den die Eröffnungen des Kaisers auf den König 
gemacht haben, vielleicht ein andrer gewesen 
Er fühlte zunächst nicht die Unterschätzung, welche in dieser 
Ueberrumpelung lag, in dieser Einladung, man könnte sagen Ladung, 
à courte échéance. Der östreichische Vorschlag gefiel ihm viel- 
leicht wegen des darin liegenden Elementes fürstlicher Solidarität 
in dem Kampfe gegen den parlamentarischen Liberalismus, durch 
den er selbst damals in Berlin bedrängt wurde. Auch die Königin 
Elisabeth, die wir auf der Reise von Gastein nach Baden in Wild-
	        
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