Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Culminations= und Wendepunkt des dualistischen Versuchs. 345 
dort angesessenen Oestreicher dagegen. Ich hätte das Gefühl, daß 
die vortheilhaften Ergebnisse der Freundschaft der deutschen Groß- 
mächte mit der holsteinischen Frage nicht abgeschlossen wären, und 
daß sie, wenn jetzt in der äußersten Entfernung von dem östreichi- 
schen Interessengebiete gelegen, doch ein andermal sehr viel näher 
liegen könnten, und daß es für Oestreich nützlich sein werde, jetzt 
Preußen gegenüber freigebig und gefällig zu sein.“ 
Es schien mir, daß die von mir aufsgestellte Perspective auf 
den Kaiser Franz Joseph nicht ohne Eindruck blieb. Er sprach 
zwar von der Schwierigkeit, der öffentlichen Meinung in Oestreich 
gegenüber ganz ohne Aequivalent aus der gegenwärtigen Situation 
hinauszugehn, wenn Preußen einen so großen Gewinn wie Schleswig- 
Holstein mache, schloß aber mit der Frage, ob wir wirklich fest ent- 
schlossen wären, diesen Besitz zu fordern und einzuverleiben. Ich 
hatte den Eindruck, daß er doch nicht für unmöglich hielte, uns 
seine Ansprüche auf das von Dänemark abgetretene Land zu cediren, 
wenn ihm die Aussicht auf ein ferneres festes Zusammenhalten 
mit Preußen und auf Unterstützung analoger Wünsche Oestreichs 
durch Preußen gesichert würde. Er stellte zur weitern Discussion 
zunächst die Frage, ob Preußen wirklich fest entschlossen sei, die 
Herzogthümer zu preußischen Provinzen zu machen, oder ob wir mit 
gewissen Rechten in ihnen, wie sie in den sog. Februarbedingungen 
später formulirt worden sind, zufrieden sein würden. Der König 
schwieg und ich brach dieses Schweigen, indem ich dem Kaeiser 
antwortete: „Es ist mir sehr erwünscht, daß Eure Majestät mir 
die Frage in Gegenwart meines allergnädigsten Herrn vorlegen; 
ich hoffe bei dieser Gelegenheit seine Ansicht zu ersahren.“ Ich 
hatte nämlich bis dahin keine unumwundene Erklärung des Königs 
weder schriftlich noch mündlich über Sr. Majestät definitive Willens- 
meinung bezüglich der Herzogthümer erhalten. 
Die mise en demeure durch den Kaiser hatte die Folge, daß 
der König zögernd und in einer gewissen Verlegenheit sagte: er 
habe ja garkein Recht auf die Herzogthümer und könne deshal
	        
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