Briefwechsel mit Ludwig von Vaiern. 375
ich die Ihrem Schreiben beigefügten Darlegungen über die politische
Lage verfolgt habe. — Zu meiner großen Genugthuung durfte
ich demselben entnehmen, daß zur Zeit keine ernsten Anzeichen vor-
handen sind, welche eine nahe Gefahr für den europäischen Frieden
befürchten lassen. Wenn gleichwohl die Zustände in Rußland und
die ungewöhnlichen Truppenaufstellungen an der russischen West-
gränze einige Besorgniß zu erwecken geeignet sind, so gebe ich mich
doch der Hoffnung hin, daß es dem so glücklichen Einverständnisse
zwischen Deutschland und Oesterreich, das eine machtvolle Bürg-
schaft des Friedens für den Welttheil bietet, und Ihrer weisen und
vorausschauenden Politik gelingen wird, einer kriegerischen Ver-
wicklung vorzubeugen, und daß schließlich doch die erst kürzlich bei
dem feierlichen Anlasse der Krönung zu Moskau laut und offen
verkündigten friedlichen Absichten des Kaisers von Rußland den
Sieg behaupten werden. — Empfangen Sie, mein lieber Fürst,
mit meinem wärmsten Danke für Ihre stets so willkommenen Mit-
theilungen den Ausdruck meiner wahren Freude darüber, daß Ihre,
wie ich tief bedauere, seit längerer Zeit angegriffene Gesundheit
unter den heilkräftigen Einwirkungen des Kissinger Curgebrauches
und Dank einer trefflichen ärztlichen Behandlung sich zu bessern
begonnen hat. Möge Ihnen, das ist mein aufrichtigster Wunsch,
recht bald die volle Kraft der Gesundheit wieder geschenkt werden,
auf daß sich Deutschland noch recht lange des Gefühles der Sicher-
heit erfreue, welches ihm das Vertrauen auf die Thatkraft und
die Umsicht seines großen Staatsmannes einflößt. Ferner er-
neuere ich in diesen Zeilen die Versicherung wahrer Bewunderung
und unwandelbarer Zuneigung, von der ich stets für Sie, mein
lieber Fürst, beseelt bin! Ihnen meine herzlichsten Grüße sendend,
bleibe ich immerdar
Schloß Berg, den 2. Sept. 1883.
Ihr
aufrichtiger Freund
Ludwig.