Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

40 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
Bei der Prinzessin, seiner Gemalin, stand ich bis zu meiner 
Ernennung nach Frankfurt so weit in Gnade, daß ich gelegentlich 
nach Babelsberg befohlen wurde, um ihre politischen Auffassungen 
und Wünsche zu vernehmen, deren Darlegung mit den Worten zu 
schließen pflegte: „Es freut mich, Ihre Meinung gehört zu haben,“ 
obschon ich nicht in die Lage gekommen war, mich zu äußern. Der 
damals 18= und 19jährige, aber jünger aussehende spätere Kaiser 
Friedrich pflegte in solchen Fällen seine politische Sympathie mir 
dadurch zu erkennen zu geben, daß er mich im Dunkel der abend- 
lichen Abfahrt beim Einsteigen in den Wagen mit lebhaftem Hände- 
druck freundlich begrüßte in einer Art, als ob ihm eine offne Be- 
kundung seiner Gesinnung bei Licht nicht gestattet wäre. 
III. 
Die Frage der deutschen Einheit war in den letzten beiden 
Jahrzehnten unter Friedrich Wilhelm III. nur in Gestalt der burschen- 
schaftlichen Strebungen und deren strafrechtlicher Repression in die 
äußere Erscheinung getreten. Friedrich Wilhelms IV. deutsches 
oder, wie er schrieb, „teutsches“ Nationalgefühl war gemüthlich 
lebhafter wie das seines Vaters, aber durch mittelalterliche Ver- 
brämung und durch Abneigung gegen klare und feste Entschlüsse 
in der praktischen Bethätigung gehemmt. Daher versäumte er die 
Gelegenheit, die im März 1848 günstig war; und es sollte das nicht 
die einzige versäumte bleiben. In den Tagen zwischen den süd- 
deutschen Revolutionen, einschließlich der Wiener, und dem 18. März, 
so lange es vor Augen lag, daß von allen deutschen Staaten, 
Oestreich inbegriffen, Preußen der einzige feststehende geblieben 
war, waren die deutschen Fürsten bereit, nach Berlin zu kommen 
und Schutz zu suchen unter Bedingungen, die in unitarischer Rich- 
tung über das hinausgingen, was heut verwirklicht ist; auch das 
bairische Selbstbewußtsein war erschüttert. Wenn es zu dem, nach
	        
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