Fractionsleben sonst und jetzt. Dreikönigsbündniß. 59
gungen waren damals aufrichtiger und ungeschulter, wenn auch die
Leidenschaften, der Haß und die gegenseitige Mißgunst der Fractionen
und ihrer Führer, die Neigung, die Landesinteressen den Fractions-—
interessen zu opfern, heut vielleicht stärker entwickelt sind. En tout
cas le diable n#’'y perd rien. Byzantinismus und verlogene Spe-
culation auf Liebhabereien des Königs wurden wohl in kleinen
höhern Kreisen betrieben, aber bei den parlamentarischen Fractionen
war der Wettlauf um die Gunst des Hofes noch nicht im Gange;
der Glaube an die Macht des Königthums war irrthümlicher Weise
meist geringer als der an die eigne Bedeutung; man fürchtete
nichts mehr, als für servil oder für ministeriell zu gelten. Die
Einen strebten nach eigner Ueberzeugung das Königthum zu stärken
und zu stützen, die Andern glaubten, ihr und des Landes Wohl in
Bekämpfung und Schwächung des Königs zu finden; es liegt darin
ein Beweis, daß, wenn nicht die Macht, doch der Glaube an die
Macht des preußischen Königthums damals schwächer war als heut
zu Tage. Die Unterschätzung der Macht der Krone erlitt auch durch
die Thatsache keine Aenderung, daß der persönliche Wille eines nicht
sehr willensstarken Monarchen wie Friedrich Wilhelms IV. hinreichte,
der ganzen deutschen Bewegung durch Ablehnung der Kaiserkrone
die Spitze abzubrechen, und daß die sporadischen Aufstände, die
demnächst für die Durchführung nationaler Wünsche ausbrachen,
von der Königlichen Gewalt mit Leichtigkeit unterdrückt wurden.
Die günstige Situation, welche für Preußen in der kurzen
Zeit von der Niederlage des Fürsten Metternich in Wien bis zum
Rückzuge der Truppen aus Berlin bestanden hatte, erneuerte sich,
wenn auch in schwächern Umrissen, dank der Wahrnehmung, daß
der König und sein Heer nach allen Mißgriffen noch stark genug
waren, den Aufstand in Dresden niederzuwerfen und das Drei-
Königsbündniß zu Stande zu bringen. Eine schnelle Ausnutzung
der Lage im nationalen Sinne war vielleicht möglich, setzte aber
klare und praktische Ziele und entschlossenes Handeln voraus. Beides
fehlte. Die günstige Zeit ging verloren mit Erwägungen von