66 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
nach den vertraulichen Mittheilungen, die mir der Kriegsminister
im November desselben Jahres machte.
Die nähere Berührung, in welche ich in Erfurt mit dem Grafen
Brandenburg trat, ließ mich erkennen, daß sein preußischer Patrio-
tismus vorwiegend von den Erinnerungen an 1812 und 1813
zehrte und schon deshalb von deutschem Nationalgefühl durchsetzt
war. Entscheidend blieb indeß das dynastische und borussische.
Gefühl und der Gedanke einer Machtvergrößerung Preußens. Er
hatte von dem Könige, der schon damals auf seine Weise an meiner
politischen Erziehung arbeitete, den Auftrag erhalten, meinen
etwaigen Einfluß in der Fraction der äußersten Rechten für die
Erfurter Politik zu gewinnen, und versuchte das, indem er mir
auf einem einsamen Spaziergange zwischen der Stadt und dem
Steigerwalde sagte: „Was kann bei der ganzen Sache Preußen für
Gefahr laufen? Wir nehmen ruhig an, was uns an Verstärkung
geboten wird, „Viel oder Wenig“, unter einstweiligem Verzichte auf
das, was uns nicht geboten wird. Ob wir uns die Verfassungs-
bestimmungen, die der König mit in den Kauf zu nehmen hat,
auf die Dauer gefallen lassen können, das kann nur die Erfahrung
lehren. Geht es nicht, „so ziehn wir den Degen und jagen die
Kerls zum Teufel“.“ Ich kann nicht leugnen, daß dieser mili-
tärische Schluß seiner Auseinandersetzung mir einen sehr gewinnen-
den Eindruck machte, hatte aber meine Zweifel, ob die Allerhöchste
Entschließung im entscheidenden Augenblicke nicht mehr von andern
Einflüssen abhängen würde als von diesem ritterlichen Generale.
Sein tragisches Ende hat meine Zweifel bestätigt 7.
Auch Herr von Manteuffel war von dem Könige zu dem Ver-
suche veranlaßt worden, die preußische äußerste Rechte für Unter-
stützung der Regirungspolitik zu gewinnen und in diesem Sinne
1) Nach Sybel II 3 f. ist die Erzählung, Brandenburg sei an „gebrochenem
Herzen“ über die ihm in Warschau zu Theil gewordene übermüthige Behand-
lung und die ihm aufgezwungene friedliche Politik gestorben, gegenüber den
aktenmäßigen Feststellungen als legendär zu bezeichnen.