Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

90 Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Emser Depesche. 
schwung der Zeit von dem Wiener Congresse bis zu der Mainzer 
Untersuchungscommission, unter der Signatur Stein, Görres, Jahn, 
Wartburg bis zu dem Exceß von Sand. Das gemeinsam ver- 
gossene Blut von dem Uebergange der Sachsen bei Leipzig bis zu 
der Betheiligung unter englischem Commando bei Belle Alliance 
hatte ein Bewußtsein gekittet, vor dem die Rheinbundserinne- 
rungen erloschen. Die Entwicklung der Geschichte in dieser Rich- 
tung wurde unterbrochen durch die Besorgniß, welche die Ueber- 
eilung des nationalen Dranges für den Bestand staatlicher Ein- 
richtungen erweckte. 
Dieser Rückblick bestärkte mich in meiner Ueberzeugung, und 
die politischen Erwägungen in Betreff der süddeutschen Staaten 
fanden mutatis mutandis auch auf unfre Beziehungen zu der Be- 
völkerung von Hanover, Hessen, Schleswig-Holstein Anwendung. 
Daß diese Auffassung richtig war, beweist die Genugthuung, mit 
der heut, nach zwanzig Jahren, nicht nur die Holsteiner, sondern 
auch die Hanseaten der 1870er Heldenthaten ihrer Söhne gedenken. 
Alle diese Erwägungen, bewußt und unbewußt, verstärkten in mir 
die Empfindung, daß der Krieg nur auf Kosten unfrer preußischen 
Ehre und des nationalen Vertrauens auf dieselbe vermieden werden 
könne. 
In dieser Ueberzeugung machte ich von der mir durch Abeken 
übermittelten königlichen Ermächtigung Gebrauch, den Inhalt des 
Telegramms zu veröffentlichen, und reducirte in Gegenwart meiner 
beiden Tischgäste das Telegramm durch Streichungen, ohne ein Wort 
hinzuzusetzen oder zu ändern, auf die nachstehende Fassung: 
„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen 
von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regirung von der 
königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat der 
französische Botschafter in Ems an Seine Majestät den König 
noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris 
telegraphire, daß Seine Majestät der König sich für alle Zukunft 
verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die
	        
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