Gortschakows Haltung auf dem Berliner Congreß. 107
damaligen russischen Kaiserin, den Prinzen von Battenberg, in un—
sichre Hände gab, war eine Entwicklung, die auf dem Berliner
Congresse nicht vorausgesehn werden konnte. Der Prinz von Batten-
berg war der russische Candidat für Bulgarien, und bei seiner nahen
Verwandschaft mit dem Kaiserhause war auch anzunehmen, daß
diese Beziehungen dauerhaft und haltbar sein würden. Der Kaiser
Alexander III. erklärte sich den Abfall seines Vetters einfach mit
dessen polnischer Abstammung: „Polskaja mat“ war sein erster
Ausruf bei der Enttäuschung über das Verhalten seines Vetters.
Die russische Entrüstung über das Ergebniß des Berliner
Congresses war eine der Erscheinungen, die bei einer dem Volk so
wenig verständlichen Presse, wie es die russische in auswärtigen
Beziehungen ist, und bei dem Zwange, der auf sie mit Leichtigkeit
geübt wird, sich im Widerspruche mit aller Wahrheit und Vernunft
ermöglichen ließ. Die ganzen Gortschakowschen Einflüsse, die er,
angespornt durch Aerger und Neid über seinen frühern Mitarbeiter,
den deutschen Reichskanzler, in Rußland übte, unterstützt von fran-
zösischen Gesinnungsgenossen und ihren französischen Verschwäge-
rungen (Wannowski, Obrutschew) waren stark genug, um in der
Presse, die Moskauer Wedomosti an der Spitze, einen Schein von
Entrüstung herzustellen über die Schädigung, welche Rußland auf
dem Berliner Congresse durch deutsche Untreue erlitten hätte. Nun
ist auf dem Berliner Congresse kein russischer Wunsch ausgesprochen
worden, den Deutschland nicht zur Annahme gebracht hätte, unter
Umständen durch energisches Auftreten bei dem englischen Premier-
minister, obschon letztrer krank und bettlägerig war. Anstatt hier-
für dankbar zu sein, fand man es der russischen Politik entsprechend,
unter Führung des lebensmüden, aber immer noch krankhaft eitlen
Fürsten Gortschakow und der Moskauer Blätter, an der weitern
Entfremdung zwischen Rußland und Deutschland fortzuarbeiten, für
die weder im Interesse des einen noch des andern dieser großen
Nachbarreiche das mindeste Bedürfniß vorliegt. Wir beneiden uns
nichts und haben nichts von einander zu gewinnen, was wir brauchen