Mangel an schwerem Geschütz. Constitutionelle u. humanitäre Bedenken. 113
erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundes-
kasse anzuweisen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als
ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Ge-
schütze verwenden wolle. Er gab die entsprechenden Aufträge, und
die in unserm Lager lange mit schmerzlicher Ungeduld erwartete und
mit Jubel begrüßte Beschießung des Mont Avron war das Ergebniß
dieser wesentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige
Unterstützung fand er für das Heranschaffen und die Verwendung
der Geschütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe.
Wenn man sich fragt, was andre Generale bestimmt
haben kann, die Ansicht Roons zu bekämpfen, so wird es schwer,
sachliche Gründe für die Verzögerung der gegen die Jahreswende
ergriffenen Maßregeln aufzufinden. Von dem militärischen wie
von dem politischen Standpunkte erscheint das zögernde Vorgehn
widersinnig und gefährlich, und daß die Gründe nicht in der Un-
entschlossenheit unfrer Heeresleitung zu suchen waren, darf man
aus der raschen und entschlossenen Führung des Krieges bis vor
Paris schließen. Die Vorstellung, daß Paris, obwohl es befestigt
und das stärkste Bollwerk der Gegner war, nicht wie jede andre
Festung angegriffen werden dürfe, war aus England auf dem Um-
wege über Berlin in unser Lager gekommen, mit der Redensart
von dem „Mekka der Civilisation“ und andern in dem cant der
öffentlichen Meinung in England üblichen und wirksamen Wen-
dungen der Humanitätsgefühle, deren Bethätigung England von
allen andern Mächten erwartet, aber seinen eignen Gegnern nicht
immer zu Gute kommen läßt. Von London wurde bei unsern maß-
gebenden Kreisen der Gedanke vertreten, daß die Uebergabe von Paris
nicht durch Geschütze, sondern nur durch Hunger herbeigeführt werden
dürfe. Ob der letztre Weg der menschlichere war, darüber kann
man streiten, auch darüber, ob die Greuel der Commune zum Aus-
bruch gekommen sein würden, wenn nicht die Hungerzeit das Frei-
werden der anarchischen Wildheit vorbereitet hätte. Es mag dahin-
gestellt bleiben, ob bei der englischen Einwirkung zu Gunsten der
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 8