Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Weibliche Einwirkungen. Werth des Kaisertitels. 115 
örterung geworden. Alle gegen die Darstellung Roons gerichteten 
Ausführungen umgehn die Berliner Einflüsse und die englischen, 
auch die Thatsache, daß 800, nach Andern 1500 Axen mit 
Lebensmitteln für die Pariser wochenlang festlagen; und alle, 
mit Ausnahme eines anonymen Zeitungsartikels, umgehn ebenso 
die Frage, ob die Heeresleitung rechtzeitig für die Herbeischaffung 
von Belagerungsgeschütz Sorge getragen habe. Ich habe keinen 
Anlaß gefunden, an meinen vorstehenden, vor dem Erscheinen der 
betreffenden Nummern der „Deutschen Revue“ gemachten Aufszeich- 
nungen irgend etwas zu ändern. 
IV. 
Die Annahme des Kaisertitels durch den König bei Erweiterung 
des Norddeutschen Bundes war ein politisches Bedürfniß, weil er 
in den Erinnerungen aus Zeiten, da er rechtlich mehr, factisch 
weniger als heut zu bedeuten hatte, ein werbendes Element für 
Einheit und Centralisation bildete; und ich war überzeugt, daß der 
festigende Druck auf unfre Reichsinstitutionen um so nachhaltiger 
sein müßte, je mehr der preußische Träger desselben das gefähr- 
liche, aber der deutschen Vorgeschichte innelebende Bestreben ver- 
miede, den andern Dnnastien die Ueberlegenheit der eignen 
unter die Augen zu rücken. König Wilhelm I. war nicht frei 
von der Neigung dazu, und sein Widerstreben gegen den Titel 
war nicht ohne Zusammenhang mit dem Bedürfnisse, grade 
das überlegne Ansehn der angestammten preußischen Krone mehr 
als das des Kaisertitels zur Anerkennung zu bringen. Die 
Kaiserkrone erschien ihm im Lichte eines übertragenen modernen 
Amtes, dessen Autorität von Friedrich dem Großen bekämpft 
war, den Großen Kurfürsten bedrückt hatte. Bei den ersten 
Erörterungen sagte er: „Was soll mir der Charakter-Major?“" 
worauf ich u. A. erwiderte: „Ew. Majestät wollen doch nicht ewig
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.