Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Kaiser von Deutschland oder Deutscher Kaiser? 121 
von Brandenburg gegenüber die Stellung des Lehnsherrn hatte, 
als König von Preußen die Gleichheit beanspruchte und durchsetzte, 
indem man einen Pavillon erbauen ließ, in den die beiden Mon- 
archen von den entgegengesetzten Seiten gleichzeitig eintraten, um 
einander in der Mitte zu begegnen. 
Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung 
zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er auf 
den Tisch schlagend sagte: „Und wenn es so gewesen wäre, so 
befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Großfürsten 
haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen gehabt, und 
so soll es ferner sein.“ Damit stand er auf, trat an das Fenster, den 
um den Tisch Sitzenden den Rücken zuwendend. Die Erörterung der 
Titelfrage kam zu keinem klaren Abschluß; indessen konnte man sich 
doch für berechtigt halten, die Ceremonie der Kaiserproclamation anzu- 
beraumen, aber der König hatte befohlen, daß nicht von dem Deutschen 
Kaiser, sondern von dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei. 
Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor 
der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden auf- 
zusuchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich 
nach Verlesung der Proclamation das Wort nehmen würde, und 
ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der 
Großherzog antwortete: „Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl 
Sr. Majestät.“ Unter den Argumenten, die ich dem Großherzoge 
dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser 
nicht in dieser Form ausgebracht werden könne, war das durch- 
schlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige 
Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichs- 
tags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen constitutionellen Ge- 
dankenkreis fallende Hinweisung auf den Reichstagsbeschluß bewog 
ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der 
beiden Herrn blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der 
Proclamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, 
daß er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser, noch auf den
	        
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