Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

124 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf. 
in den Kauf zu nehmen, die das Ergebniß eines öffentlichen Ein— 
tretens für die päpstlichen Interessen bezüglich Roms sein mußte. 
In den Wechselfällen des Krieges ist unter den streitenden 
italienischen Elementen Anfangs der König als der für uns mög— 
licherweise gefährliche Gegner erschienen. Später ist uns die republi- 
kanische Partei unter Garibaldi, die uns bei Ausbruch des Krieges 
ihre Unterstützung gegen Napoleonische Velleitäten des Königs in 
Aussicht gestellt hatte, auf dem Schlachtfelde in einer mehr thea- 
tralischen als praktischen Erregtheit und in militärischen Leistungen 
entgegengetreten, deren Formen unfre soldatischen Auffassungen 
verletzten. Zwischen diesen beiden Elementen lag die Sympathie, 
welche die öffentliche Meinung der Gebildeten in Italien für das in 
der Geschichte und in der Gegenwart parallele Streben des deutschen 
Volkes hegen und dauernd bewahren konnte, lag der nationale 
Instinct, der denn auch schließlich stark und praktisch genug ge- 
wesen ist, mit dem frühern Gegner Oestreich in den Dreibund 
zu treten. Mit dieser nationalen Richtung Italiens würden wir 
durch ostensible Parteinahme für den Papst und seine territorialen 
Ansprüche gebrochen haben. Ob und in wie weit wir dafür den 
Beistand des Papstes in unsern innern Angelegenheiten gewonnen 
haben würden, ist zweifelhaft. Der Gallicanismus erschien mir 
stärker, als ich ihn 1870 der Infallibilität gegenüber einschätzen 
konnte, und der Papst schwächer, als ich ihn wegen seiner über- 
raschenden Erfolge über alle deutschen, französischen, ungarischen 
Bischöfe gehalten hatte. Bei uns im Lande war das jesuitische 
Centrum demnächst stärker als der Papst, wenigstens unabhängig 
von ihm; der germanische Fractions= und Parteigeist unfrer katho- 
lischen Landsleute ist ein Element, dem gegenüber auch der päpst- 
liche Wille nicht durchschlägt. 
Desgleichen lasse ich dahingestellt, ob die am 16. desselben 
Monats vor sich gegangenen Wahlen zum preußischen Landtage 
durch das Fehlschlagen der Ledochowskischen Verhandlungen beein- 
flußt worden sind. Die letztern wurden in etwas andrer Rich-
	        
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