128 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf.
Rede das Wort ergriff 1). In Posen und Westpreußen waren
nach Ausweis amtlicher Berichte Tausende von Deutschen und
ganze Ortschaften, die in der vorigen Generation amtlich deutsch
waren, durch die Einwirkung der katholischen Abtheilung polnisch
erzogen und amtlich „Polen“ genannt worden. Nach der Com-
petenz, welche der Abtheilung verliehn worden war, ließ sich ohne
Aufhebung derselben hierin nicht abhelfen. Diese Aufhebung war
also nach meiner Ueberzeugung als nächstes Ziel zu erstreben. Da-
gegen war natürlich der Radziwill'sche Einfluß am Hof, nicht
natürlich mein Cultus-College, dessen Frau und Ihre Mojestät
die Königin. Der Chef der katholischen Abtheilung war damals
Krätzig, der früher Radziwillscher Privatbeamter gewesen und dies
im Staatsdienst auch wohl geblieben war. Der Träger des Radzi-
will'schen Einflusses war der jüngere beider Brüder Fürst Boguslav,
auch Stadtverordneter von Einfluß in Berlin. Der ältere, Wil-
helm, und sein Sohn Anton, waren zu ehrliche Soldaten, um sich
auf polnische Intrigen gegen den König und dessen Staat ein-
zulassen. Die katholische Abtheilung des Cultusministeriums, ur-
sprünglich gedacht als eine Einrichtung, vermöge deren katholische
Preußen die Rechte ihres Staates in den Beziehungen zu Rom
vertreten sollten, war durch den Wechsel der Mitglieder nach
und nach zu einer Behörde geworden, die inmitten der preußi-
schen Bürokratie die römischen und polnischen Interessen gegen
Preußen vertrat. Ich habe mehr als einmal dem Könige ausein-
ander gesetzt, daß diese Abtheilung schlimmer sei als ein Nuntius in
Berlin. Sie handle nach Anweisungen, die sie aus Rom empfinge,
vielleicht nicht immer vom Papste, und sei neuerdings hauptsächlich
polnischen Einflüssen zugänglich geworden. In dem Radziwill'schen
Hause seien die Damen deutschfreundlich, der ältere Bruder Wil-
helm durch das Ehrgefühl des preußischen Offiziers in derselben
1) Vgl. die Aeußerung in der Rede vom 28. Januar 1886, Politische
Reden XI 438.