Die katholische Abtheilung und ihre Aufhebung. 129
Richtung gehalten, ebenso dessen Sohn Anton, bei dem die persön—
liche Anhänglichkeit an Se. Majestät hinzukomme. Aber in dem
treibenden Elemente des Hauses, den Geistlichen und dem Fürsten
Boguslaw und dessen Sohn, sei das polnische Nationalgefühl stärker
als jedes andre und werde gepflegt auf der Basis des Zusammen—
gehns der polnischen mit den römisch-clericalen Interessen, auf der
einzigen im Frieden gangbaren, aber auch sehr geläufig gangbaren
Basis. Nun sei der Chef der katholischen Abtheilung, Krätzig, so gut
wie ein Radziwillscher Leibeigner. Ein Nuntius würde die Interessen
der katholischen Kirche, aber nicht die der Polen zu vertreten als
seine Hauptaufgabe ansehn, werde nicht die intimen Verbindungen
mit der Bürokratie besitzen wie die Mitglieder der katholischen Ab-
theilung, die in der Garnison der ministeriellen Citadelle unfres
Vertheidigungssystems gegen revolutionäre Anläufe als staatsfeind-
liche Parteigänger säßen; ein Nuntius endlich werde als Mitglied
des diplomatischen Corps an der Erhaltung guter Beziehungen zu
seinem Souverain und an der Pflege des Verhältnisses zu dem
Hofe, an dem er beglaubigt, persönlich interessirt sein.
Wenn es mir auch nicht gelang, die übrigens mehr äußer-
liche und formelle Abneigung des Kaisers gegen einen Nuntius in
Berlin zu überwinden, so überzeugte er sich doch von der Ge-
fährlichkeit der katholischen Abtheilung und gab seine Genehmi-
gung zu ihrer Abschaffung trotz des Widerstandes seiner Gemalin.
Unter ehelichem Einfluß wehrte sich Mühler gegen die Abschaffung,
über die alle übrigen Minister einverstanden waren. Zur decora-
tiven Platirung seines Abganges wurde eine Differenz über eine
die Verwaltung der Museen betreffende Personalfrage benutzt; in
der That fiel er über Krätzig und den Polonismus, trotz des
Rückhaltes, den er und seine Frau durch Damenverbindungen am
Hofe hatten.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 9