Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

130 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf. 
III. 
Auf die juristische Detailarbeit der Maigesetze würde ich nie 
verfallen sein; sie lag mir ressortmäßig fern, und weder in meiner 
Absicht, noch in meiner Befähigung lag es, Falk als Juristen zu con- 
trolliren oder zu corrigiren. Ich konnte als Ministerpräsident über- 
haupt nicht gleichzeitig den Dienst des Cultusministers thun, auch 
wenn ich vollkommen gesund gewesen wäre. Erst durch die Praxis 
überzeugte ich mich, daß die juristischen Einzelheiten psychologisch 
nicht richtig gegriffen waren. Der Mißgriff wurde mir klar an 
dem Bilde ehrlicher, aber ungeschickter preußischer Gendarmen, die 
mit Sporen und Schleppsäbel hinter gewandten und leichtfüßigen 
Priestern durch Hinterthüren und Schlafzimmer nachsetzten. Wer 
annimmt, daß solche in mir auftauchende kritische Erwägungen 
sofort in Gestalt einer Cabinetskrisis zwischen Falk und mir sich 
hätten verkörpern lassen, dem fehlt das richtige, nur durch Erfah- 
rung zu gewinnende Urtheil über die Lenkbarkeit der Staatsmaschine 
in sich und in ihrem Zusammenhange mit dem Monarchen und 
den Parlamentswahlen. Diese Maschine ist zu plötzlichen Evolu- 
tionen nicht im Stande, und Minister von der Begabung Falks 
wachsen bei uns nicht wild. Es war richtiger, einen Kampfgenossen 
von dieser Befähigung und Tapferkeit in dem Ministerium zu haben, 
als durch Eingriffe in die verfassungsmäßige Unabhängigkeit seines 
Ressorts die Verantwortlichkeit für die Verwaltung oder Neubesetzung 
des Cultusministeriums auf mich zu nehmen. Ich bin in dieser Auf- 
fassung verharrt, so lange ich Falk zum Bleiben zu bewegen vermochte. 
Erst nachdem er gegen meinen Wunsch durch weibliche Hofeinflüsse 
und ungnädige königliche Handschreiben derartig verstimmt worden 
war, daß er sich nicht halten ließ, bin ich an eine Revision seiner 
Hinterlassenschaft gegangen, der ich nicht näher treten wollte, so 
lange das nur durch Bruch mit ihm möglich war.
	        
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