134 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf.
die von mir ausgingen, zu unterstützen. Die aus der Situ—
ation hervorgehenden Kämpfe wiederholten sich, allmälig schwerer
werdend.
Es bedurfte noch jahrelanger Arbeit, um ohne neue Cabinets-
krisen an die Revision der Maigesetze gehn zu können, für deren
Vertretung in parlamentarischen Kämpfen nach der Desertion der
freisinnigen Partei in das ultramontane Oppositionslager die Majo-
rität fehlte. Ich war zufrieden, wenn es gelang, dem Polonismus
gegenüber die im Culturkampf gewonnenen Beziehungen der Schule
zum Staate und die eingetretene Aenderung der einschlagenden Ver-
fassungsartikel als definitive Errungenschaften festzuhalten. Beide sind
in meinen Augen werthvoller als die maigesetzlichen Verbote geist-
licher Thätigkeit und der juristische Fangapparat für widerstrebende
Priester, und als einen wichtigen Gewinn durfte ich schon die Be-
seitigung der katholischen Abtheilung und ihrer staatsgefährlichen
Thätigkeit in Schlesien, Posen und Preußen betrachten. Nachdem
die Freisinnigen den von ihnen mehr wie von mir betriebenen
„Culturkampf“, dessen Vorkämpfer Virchow und Genossen gewesen
waren, nicht nur aufgegeben hatten, sondern im Parlament wie in
den Wahlen das Centrum unterstützten, war letzterm gegenüber
die Regirung in der Minorität. Der aus Centrum, Fortschritt,
Socialdemokraten, Polen, Elsässern, Welfen bestehenden compacten
Mehrheit gegenüber war die Politik Falks im Reichstage ohne
Aussicht. Ich hielt um so mehr für angezeigt, den Frieden an-
zubahnen, wenn die Schule gedeckt, die Verfassung von den auf-
gehobenen Artikeln und der Staat von der katholischen Abtheilung
befreit blieb.
Nachdem ich den Kaiser schließlich gewonnen hatte, war bei Ab-
schätzung des Festzuhaltenden und des Aufzugebenden die neue
Stellung der Fortschrittspartei und der Secessionisten ein entschei-
dendes Moment; anstatt die Regirung zu unterstützen, schlossen sie
bei Wahlen und Abstimmungen Bündnisse mit dem Centrum und
hatten Hoffnungen gefaßt, die in dem sog. Ministerium Gladstone