138 Vierundzwanzigstes Kapitel: Culturkampf.
an“*). Nachdem ich meine Auffassung durch Herrn von Keudell zur
Kenntniß des Grafen Launay gebracht hatte, wurde der Dose ein
sehr hübsches und ähnliches Portrait des Königs substituirt mit
folgender an meinen Annunziatenorden erinnernden eigenhändigen
Unterschrift:
Al Principe Bismarck. Berlino 26. Settembre 1873.
Affezionatissimo cugino
Vittorio Emanuele.
Der König behielt jedoch das Bedürfniß, mir einen verstärkten
Ausdruck seines Wohlwollens zu geben durch ein dem ursprünglich
beabsichtigten im Werthe analoges, aber nicht verkäufliches Geschenk,
und ich erhielt als Zugabe zu der schmeichelhaften Unterschrift des
Portraits eine Alabastervase von ungewöhnlicher Größe und Schön-
heit, deren sichre Verpackung und Beförderung bei der überstürzten
Räumung meiner Amtswohnung, zu der mein Nachfolger mich
nöthigte, nicht ohne Schwierigkeit war.
VI.
Die „Germania“ vom 6. December 1891 deducirt aus dem
Briefwechsel zwischen dem Grafen von Roon und Moritz von
X) Andrer Ansicht über die Annahme einer mit Brillanten gefüllten
Dose war Fürst Gortschakow. Bei unserm Besuch in Petersburg (1872) fragte
mich Seine Majestät: „Was kann ich nur dem Fürsten Gortschakow geben?
er hat schon alles, auch Portrait; vielleicht eine Büste oder eine Dose mit
Brillanten?“" Ich erhob gegen eine theure Dose Einwendungen, die ich aus
der Stellung und dem Reichthum des Fürsten Gortschakow herleitete, und der
Kaiser gab mir Recht. Ich sondirte darauf den Fürsten vertraulich und erhielt
sofort die Antwort: „Laß Er mir (Russicismus) eine tüchtige Dose geben mit
guten Steinen (avec de grosses bonnes pierres).“ Ich meldete dies Sr. Maje-
stät etwas beschämt über meine Menschenkenntniß; wir lachten beide, und
Gortschakow bekam seine Dose.