Der Neid der Standesgenossen. Schulaufsichtsgesetz. 149
begründet gewesen wäre. Sie fand ihren Ausdruck und ihre Vorwände
in der verurtheilenden Kritik, welcher meine Politik von Seiten der
preußischen Conservativen unter der Führung des mir verwandten
Herrn von Kleist-Retzow bei Gelegenheit des Schulaufsichtsgesetzes
1872 und bei einigen andern Anlässen unterzogen wurde.
Die Opposition der Conservativen gegen das noch von Mühler
vorgelegte Schulaufsichtsgesetz begann schon im Abgeordnetenhause
und ging darauf aus, die Localinspection über die Volksschule ge—
setzlich dem Ortsgeistlichen zu vindiciren, auch in Polen, während
die Vorlage den Behörden freie Hand in der Wahl des Schul—
inspectors ließ. In der erregten Debatte, an die manche alte
Mitglieder des Landtags sich 1892 erinnert haben werden, sagte
ich am 13. Februar 1872:
„Der Vorredner (Lasker) hat gesagt, es sei ihm und den
Seinigen undenkbar gewesen, daß in einer prinzipiellen und von
uns für die Sicherheit des Staates für wichtig erklärten Frage, in
einer Frage von der Bedeutung die bisherige conservative Partei
der Regirung offen den Krieg erklärte. Ich will mir diesen letztern
Ausdruck nicht aneignen, aber ich darf das wohl bestätigen, daß es
auch mir undenkbar gewesen ist, daß diese Partei die Regirung in
einer Frage im Stiche lassen werde, in welcher die Regirung ihrer-
seits entschlossen ist, jedes constitutionelle Mittel zur Anwendung zu
bringen, um sie durchzuführen“ 7).
Nachdem das Gesetz in der von der Regirung genehmigten
Fassung mit 207 Stimmen gegen 155 Stimmen von Clericalen,
Conservativen und Polen angenommen war, gelangte es am
6. März in dem Herrenhause zur Berathung. Aus meiner Rede
will ich eine Stelle anführen:
„Die Frage ist nach der evangelischen Seite hin zu einer
Wichtigkeit aufgebläht worden, als wollten wir jetzt sämmtliche Geist-
liche absetzen, eine tabula rasa schaffen und mit diesen 20 000 Tha-
1) Politische Reden V 283.