150 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen.
lern, die wir fordern, den evangelischen Staat auf den Kopf stellen.
Wären diese Uebertreibungen nicht geschehn, so wären die bedauer—
lichen Streitigkeiten und Reibungen bei diesem Gesetz vollständig über-
flüssig gewesen; das Gesetz hat seine übertriebene Wichtigkeit erst durch
den uns ganz unerwarteten Widerstand der conservativen Partei evan-
gelischer Confession erhalten, einen Widerstand, in dessen Genesis ich
hier nicht näher eingehn will — ich könnte es nicht, ohne persönlich
zu werden — der aber für die Staatsregirung eine tief schmerzliche
und für die Zukunft entmuthigende Erfahrung bildet. Nachdem
ich Ihnen mit einer Offenheit, zu der conservative Leute die Staats-
regirung niemals zwingen sollten, die Genesis und Tendenz dieses.
Gesetzes dargelegt habe, sollten Sie die Nothwendigkeit, daß unfre
bisher nicht deutsch sprechenden Landsleute Deutsch lernen, aner-
kennen. Das ist für mich der Hauptpunkt dieses Gesetzes“ 7).
In einem Hause von 202 stimmten 76 gegen das Gesetz.
Ich hatte noch am Abend vorher mit großer Anstrengung versucht,
Herrn von Kleist die muthmaßlichen Folgen der Politik darzustellen,
zu der er seine Freunde verleitete, fand mich aber einem parti
pris gegenüber, bezüglich dessen Unterlage ich keine Conjectur
machen will. Der Bruch mit mir wurde von jener Seite mit
einer Schärfe äußerlich vollzogen, aus der ebenso viel persönliche
als politische Leidenschaft hervorleuchtete. Die Ueberzeugung, daß
dieser mir persönlich nahestehende Parteimann das Land und die
conservative Sache schwer geschädigt hat, währt bis auf den heutigen
Tag. Wenn die conservative Partei, anstatt mit mir zu brechen
und mich mit einer Bitterkeit und einem Fanatismus zu bekämpfen,
worin sie keiner staatsfeindlichen Partei etwas nachgab, der Re-
girung des Kaisers geholfen hätte, in ehrlicher gemeinsamer Arbeit
die Reichsgesetzgebung auszubauen, so würde der Ausbau nicht ohne
tiefe Spuren solcher conservativen Mitarbeit geblieben sein. Aus-
gebaut mußte werden, wenn die politischen und militärischen Er-
1) Politische Reden V 304 f.